Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer: Abrisskosten eines einsturzgefährdeten Gebäudes als außergewöhnliche Belastungen - Verletzung der Instandhaltungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für den Abriss eines einsturzgefährdeten Gebäudes sind mangels Zwangsläufigkeit jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn die Instandhaltungspflicht zuvor verletzt wurde. Eine mögliche Abrede mit einem zwischenzeitlich verstorbenen Miteigentümer, dass allein dieser sich um das Haus zu kümmern habe, steht dem nicht entgegen.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung der Kosten eines Gebäudeabrisses als außergewöhnliche Belastung.
Die Eltern der Klägerin waren zu je 1/2 Eigentümer eines Grundstücks in A. Die Klägerin war gemeinsam mit ihrer Mutter Erbin nach ihrem im Jahr 1988 verstorbenen Vater. Nachdem ihre Mutter im Jahr 2012 verstorben war, sind die Klägerin und ihre Halbschwester (als Erben nach der Mutter) Miteigentümer zu 5/8 bzw. 3/8 des Grundstücks. Auf dem Grundstück befand sich ein Haus, welches zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Dieses war jedenfalls im Jahr 2015 einsturzgefährdet.
Am 22. Juni 2015 erließ der Landkreis A wegen der Einsturzgefahr eine Ordnungsverfügung, mit der er die Klägerin verpflichtete, das auf dem Grundstück befindliche Gebäude abzureißen. Mit Bescheid vom 18. September 2015 setzte der Landkreis die Ersatzvornahme fest. In der Folge beauftragte der Landkreis ein Unternehmen mit dem Abriss des Gebäudes. Das Gebäude wurde im Dezember 2015 abgerissen. Die Klägerin zahlte aufgrund einer (vorläufigen) Kostenforderung des Landkreises im Dezember 2015 x €. Mit Bescheid vom 26. Januar 2016 stellte der Landkreis der Klägerin die (endgültigen) Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von x € in Rechnung. Der Klägerin wurde der Differenzbetrag von x € im Januar 2016 erstattet.
Die Klägerin setzte die Abrisskosten in Höhe von x € in ihrer Einkommensteuererklärung 2015 als außergewöhnliche Belastung an. Am 26. Mai 2017 erließ der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2015. Darin berücksichtigte er die Kosten für den Gebäudeabriss nicht als außergewöhnliche Belastung. Die Aufwendungen seien der Klägerin nicht zwangsläufig entstanden. Soweit die Baufälligkeit des Gebäudes bereits zum Zeitpunkt der Anschaffung vorgelegen habe, sei das Objekt in dem Wissen der Baufälligkeit angeschafft worden. Soweit die Baufälligkeit erst später eingetreten sei, sei der Klägerin ein Verschulden vorzuwerfen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 29. Juni 2017 Einspruch ein. Sie habe das Grundstück im Jahr 2012 geerbt. Der Zustand des Gebäudes sei ihr unbekannt gewesen. Die Gebäudeabrisskosten seien ihr zwangsläufig entstanden, weil sie sich der rechtlichen Verpflichtung zum Gebäudeabriss aufgrund der Verfügung des Landkreises nicht habe entziehen können.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2018 als unbegründet zurück. Der Berücksichtigung der Abrisskosten als außergewöhnliche Belastung stehe entgegen, dass die Kosten der Klägerin nicht zwangsläufig erwachsen seien. Die Abrisskosten seien Folge der Annahme der Erbschaft. Die Entscheidung der Klägerin, das Erbe nicht auszuschlagen, beruhe auf ihrem freien Willen. Gleiches gelte für die Entscheidung der Klägerin, sich nicht über den Zustand des geerbten Grundstücks zu informieren.
Hiergegen hat die Klägerin am 9. Juli 2018 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, die Kosten des Gebäudeabrisses seien als außergewöhnliche Belastung einzuordnen. Ein Gebäudeabriss sei ein Ereignis, das bezogen auf die Allgemeinheit als unüblich und damit außergewöhnlich einzustufen sei. Die Aufwendungen seien ihr auch zwangsläufig erwachsen. Der Landkreis habe sie - dem geltenden Baurecht entsprechend - zum Abriss verpflichtet und die Ersatzvornahme zutreffend umgesetzt. Es sei ungeklärt, in welchem Zustand sich das Gebäude im Jahr 2012 beim Erwerb von der Mutter befunden habe. Jedenfalls sei der Klägerin bei Ablauf der Ausschlagungsfrist für das Erbe nach ihrer Mutter im Jahr 2012 nicht bekannt gewesen, in welchem Zustand sich das Gebäude befunden habe. Die Klägerin sei zwar bereits zuvor gemeinsam mit ihrer Mutter Eigentümerin des Grundstücks gewesen. Es sei aber mit der Mutter vereinbart worden, dass diese allein sich um das Haus kümmere. Ein Kaufangebot nach dem Tod des Vaters habe die Mutter nicht annehmen wollen. Das Haus sei bis etwa vier bis fünf Jahre nach dem Tod des Vaters fremdvermietet gewesen. Sie selbst habe keine Möglichkeit gehabt, das Haus zu veräußern. Ihre Mutter sei emotional stark mit dem Haus verbunden gewesen. Wann immer sie ihre Mutter auf einen Verkauf des Grundstücks angesprochen habe, sei diese stark verärgert gewesen und habe nicht darüber sprechen wollen. Selbst als der Umzug ihrer Mutter in ein Pflegeheim in den Jahren 2008/2009 erfolgte, habe ihre Mutter an dem Grundstück festgehalten. Zur Finanzierung des Heimaufenthaltes habe die Mutter, entgegen ...