Entscheidungsstichwort (Thema)
Umzugskosten als Werbungskosten. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 3/23)
Leitsatz (amtlich)
1. Umzugskosten können beruflich veranlasst sein, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen führt (st. Rspr.).
2. Eine solche Erleichterung kann für das Streitjahr 2020 auch anzunehmen sein, wenn ein Umzug erfolgt, um für jeden Ehegatten in der neuen Wohnung ein Arbeitszimmer einzurichten, damit diese im Homeoffice wieder ungestört ihrer jeweiligen Tätigkeit nachgehen können (in Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 16. Oktober 1992, VI R 132/88, BStBl II 1993, 610 zum Streitjahr 1982)
Normenkette
EStG § 9
Tatbestand
Die Kläger begehren die Anerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit.
Die Kläger sind Eheleute und werden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Zu Beginn des Jahres 2020 (Streitjahr) lebten sie gemeinsam mit ihrer Tochter (geb. im Oktober 2015) in der S-Straße, Hamburg. Es handelte sich um eine 3-Zimmer-Wohnung mit einer Gesamtgröße von ca. 65 m²: Wohn- und Esszimmer (20,7 m²), Küche (5,3 m²), Kinderzimmer (11,9 m²) und Schlafzimmer (12,8 m²). Zudem gab es eine Terrasse mit direktem Zugang zum Gemeinschaftsgarten. Im Wohn- und Esszimmer befand sich ein Esstisch für vier Personen. Umzugspläne hatten die Kläger nicht.
Der Kläger war als angestellter Teil-Projektleiter für ein Unternehmen im Bereich XXX tätig. Über das Vermögen des Unternehmens war Anfang 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger wickelte dennoch weiterhin ein Projekt für seinen Arbeitgeber ab. Seine tägliche Arbeit erforderte dabei (in zeitlicher Hinsicht) zu 60 Prozent Tätigkeiten mit Telefonaten/Meetings und zu 40 Prozent ruhigere Tätigkeiten (Lesen/Anfertigen von Berichten). Der Kläger arbeitete vor Mitte März 2020 nur in Ausnahmefällen zu Hause. Für den täglichen Arbeitsweg nutzte er vor der Insolvenz seines Arbeitgebers (bis zu diesem Zeitpunkt hatte er ein Job-Ticket) etwa zu 80 Prozent den öffentlichen Nahverkehr und im Übrigen den privaten PKW. Ab Januar 2020 nutzte er den privaten PKW und den öffentlichen Nahverkehr zu etwa gleichen Teilen.
Zu Beginn der Corona-Maßnahmen im März 2020 musste der Kläger seine Arbeitsmaterialien aus dem Büro seines Arbeitgebers abholen und ab diesem Zeitpunkt zu Hause arbeiten. Das Büro des Arbeitgebers war gänzlich geschlossen. Dies blieb so, bis der Kläger zum 30. Juni 2020 das Unternehmen verließ.
Anfang Juli 2020 begann der Kläger eine Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber. Einen festen Arbeitsplatz hatte und hat er dort nicht. Er arbeitete an vier Tagen in der Woche im Arbeitszimmer und einmal wöchentlich in den Räumen seines neuen Arbeitgebers (B-Straße, Hamburg).
Die Klägerin ist als angestellte Sachbearbeiterin tätig. Sie arbeitete bis Ende Oktober 2020 in befristeter Teilzeit mit 23 Std/Woche und fertigte zudem ihre Master-Arbeit an. Ab November 2020 arbeitete sie mit 30 Std/Woche und inzwischen ist sie in Vollzeit mit 38,5 Std/Woche tätig. Ihre tägliche Arbeit besteht im Wesentlichen aus ruhigen Tätigkeiten, die Konzentration erfordern, wie bspw. Datenabgleich, E-Mails beantworten, Arbeit mit SAP und Excel. Telefonate führt sie kaum. Vor Mitte März 2020 arbeitete die Klägerin ausschließlich im Büro (W-Straße, Hamburg). Für den täglichen Arbeitsweg nutzte sie ganz überwiegend das Fahrrad. Seit Mitte März 2020 arbeitet die Klägerin an vier Tagen in der Woche im Homeoffice und an einem Tag im Büro. Das Büro ihres Arbeitgebers blieb geöffnet, ein Betretungsverbot gab es nicht. Allerdings war Homeoffice aufgrund der Corona-Pandemie dringend empfohlen.
Beide Kläger benötigten für ihre Tätigkeit einen großen Bildschirm. Mit Beginn des Homeoffices Mitte März 2020 nutzen die Kläger den Esstisch nicht nur als Esstisch der Familie, sondern zudem als Schreibtisch. Dort war indes nur Platz für einen großen Bildschirm. Auch sonst konnte ein solcher in der Wohnung nicht aufgestellt werden. Da die Klägerin in ihrer Arbeit zudem durch die vielen Telefonate des Klägers gestört wurde, wechselten sie sich nach Möglichkeit mit der Nutzung des Esstisches ab. Dies war nur möglich, weil beide in gewissem Maße die Arbeitszeit frei einteilen konnten.
Die Kläger erkannten, dass die Corona-bedingten Einschränkungen nicht nur ganz kurzfristig sein würden, und suchten im April 2020 nach einer Wohnung, die es ihnen ermöglichen würde, zwei Arbeitszimmer einzurichten. Bereits im Mai 2020 unterzeichneten sie den Mietvertrag (Mietbeginn 16. Juli 2020) für ihre neue Wohnung. Diese liegt in der H-Straße, Hamburg (etwa 1,6 km von der bisherigen Wohnung entfernt). Die neue Wohnung ist etwa 110 m² groß. Dabei ist die Aufteilung wie folgt: Wohn-/Esszimmer (28,15 m²), Küche (6,56 m²), zwei Arbeitszimmer (je 10,57 m²), Kinderzimmer (10,57 m²) und Schlafzimmer (15,29 m²). Die Wohnung hat einen Balkon, aber keinen Gemeinschaftsgarten. Am 23. Juli 2020 zogen die Kläger um.
Das Arbeitszimmer de...