Entscheidungsstichwort (Thema)
Nacherhebung von Abgaben / Vertrauensschutz
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob der Nacherhebung von Eingangsabgaben eine von der Europäischen Kommission geduldete gemeinschaftswidrige nationale Verwaltungspraxis entgegensteht.
Normenkette
ZK Art. 32 Abs. 1, Art. 220
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Nacherhebung des Zollwertes wegen nicht erfasster Kosten von Umschließungen zulässig ist.
Mit ergänzender Zollanmeldung vom 07.08.2003 meldete die Klägerin Konserven aus China zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Dem chinesischen Hersteller hatte sie die für die Herstellung der Konserven notwendigen Umschließungen (Gläser und Metalldrehverschlüsse), die aus dem freien Verkehr der Gemeinschaft stammten und die sie von innergemeinschaftlichen Lieferern entgeltlich erworben hatte, unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Die der Klägerin von den chinesischen Herstellern berechneten Preise für die eingeführten Konserven in Gläsern haben nicht die Kosten für die Umschließungen enthalten. Bei der Überführung der Waren in den freien Verkehr hat die Klägerin den ihr vom Lieferer in Rechnung gestellten Preis der Zollwertfeststellung zugrunde gelegt und die Kosten der Umschließungen nicht dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis für die eingeführte Ware hinzu gerechnet.
Diese Verfahrensweise entsprach der früheren Dienstanweisung VSF Z 5314 vom 15.03 1993 (Ziffer 7) und blieb über Jahre hinweg unbeanstandet. Nach dieser Dienstanweisung ging die Zollverwaltung an sich davon aus, dass dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis die Kosten von Umschließungen, die für Zollzwecke als Einheit mit den betreffenden Waren angesehen werden, hinzuzurechnen seien. Wörtlich heißt es sodann: "Dies gilt nicht, wenn die Umschließungen aus dem freien Verkehr des Zollgebiets der Gemeinschaft stammen und vom Käufer zur Verfügung gestellt worden sind". Wie das Bundesministerium der Finanzen (BMF) dem Verein A e. V., einem Fachverband, dem die Klägerin angehört, mit Schreiben vom 16.08.2000 mitgeteilt hatte, beruhte diese Rechtspraxis auf einer Duldungsabsprache mit der Europäischen Kommission.
Am 10.12.2002 wurde die Änderung der Dienstvorschrift Zollwertrecht in der FSV N 65/2002 bekannt gegeben. Unter Abs. 42 der Dienstvorschrift Z 51 01 heißt es nunmehr: "Kosten für Umschließungen sind dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzuzurechnen, wenn die zu bewertende Ware und ihre Umschließung gemeinsam einzureihen sind. Umschließungen sind Behältnisse (z.B. Kamerataschen, Geigenkästen, Brillenetuis, Bierfässer) und Verpakkungen (z.B. Papiersäcke, Getränkedosen Eierkartonagen und Joghurtbecher), die eine Lagerung oder Verpackung der Ware ermöglichen."
Die geänderte Dienstanweisung zum Zollwertrecht wurde in den VSF-Nachrichten vom 10.12.2002 (N 65 2002 Nr. 466) bekannt gegeben. Mit VSF-Nachrichten vom 27.2.2003 (N 13 2003) wies die Bundesfinanzverwaltung zudem darauf hin, dass aufgrund geänderter zollwertrechtlicher Regelung für die Behandlung von Umschließungen (Hinweis auf die in den VSF-N 65 2002 veröffentlichte neue Dienstvorschrift Zollwert, VSF Z 51 01 Absatz 42) eine entsprechende Änderung der Dienstvorschrift Passive Veredelung, VSF Z 1601, erforderlich sei. Die bisherige Regelung könne nicht mehr beibehalten werden. Vom Inhaber der Bewilligung zur Verfügung gestellte Verpackungs- und Umschließungsmaterialien seien künftig in die Bewilligung der passiven Veredelung mit einzubeziehen und in das Verfahren der passiven Veredelung zu überführen (III B 1 - Z 1490 - 1/03 vom 17.2.2003).
Mit Erlass vom 13.01.2005 - III B 2 - Z 5314-305 - wies das BMF die Oberfinanzdirektion Hamburg an, wie folgt zu verfahren:
Nicht zu korrigieren sind die Einfuhrgänge vor dem 27. Februar 2003, (Datum der überarbeiteten DV im Bereich passive Veredelung -pV-).
Die vor dem 27. Februar 2002 ausgeführten Umschließungen, die nach dem 27. Februar 2003 befüllt eingeführt werden, bleiben zollwertrechtlich unberücksichtigt, weil für diese Umschließungen auch bei fristgerechter Beantragung einer rückwirkenden pV keine Einfuhrabgabenfreiheit (wie es sie nach der alten nationalen DV gab), mehr hätte erreicht werden können. .... Die zwischen In-Kraft-Treten der rückwirkenden pV und dem 27. Februar 2003 ausgeführten Umschließungen, die befüllt nach dem 27. Februar 2003 eingeführt wurden bzw. noch werden, sind, um eine Abgabenbegünstigung zu erlangen, von den Wirtschaftsbeteiligten über bestehende pV'en abzuwickeln.
Für die nach dem 27. Februar 2002, aber vor In-Kraft-Treten der rückwirkenden pV ausgeführten Umschließungen, die befüllt nach dem 27. Februar 2003 eingeführt wurden bzw. noch werden, sind Steueränderungsbescheide zu erlassen.
Nachdem die Klägerin von der geänderten Zollpraxis erfahren hatte, beantragte sie am 27.08.2003 bei dem Beklagten die Bewilligung einer rückwirkenden pV für die Umschließungen. Der Beklagte erteilte...