Entscheidungsstichwort (Thema)
Versteuerung des unter dem Grundfreibetrag liegenden Einkommens durch Einbeziehung steuerfreier Lohnersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt verfassungsgemäß
Leitsatz (amtlich)
Führt die Einbeziehung von steuerfreien Lohnersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt dazu, dass ein unter dem Grundfreibetrag liegendes zu versteuerndes Einkommen mit Einkommensteuer belastet wird, verstößt das nicht gegen die Verfassung, wenn dem Steuerpflichtigen tatsächlich ein zur Bestreitung des Existenzminimums ausreichender Betrag verbleibt.
Normenkette
EStG § 3 Nr. 2, §§ 32a, 32b
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die steuerliche Erfassung ihres unterhalb des Grundfreibetrages liegenden zu versteuernden Einkommens im Rahmen des Progressionsvorbehalts.
Mit geändertem Einkommensteuer(ESt)Bescheid 1998 vom 30.05.2000 veranlagte der Beklagte die Kläger erklärungsgemäß. Unter Berücksichtigung positiver Einkünfte aus selbständiger wie nichtselbständiger Arbeit sowie unter dem Freibetrag liegenden Einnahmen aus Kapitalvermögen und negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ermittelte der Beklagte ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 24.668 DM. Da die Klägerin im Streitjahr Arbeitslosengeld in Höhe von 9.705 DM erhalten hatte, berücksichtigte der Beklagte 7.705 DM als Lohnersatzleistung im Rahmen des Progressionsvorbehaltes und setzte die ESt 1998 auf 1.534 DM fest.
Am 28.06.2000 legten die Kläger Einspruch ein und führen zur Begründung aus, dass das unterhalb des Grundfreibetrags liegende Einkommen in jedem Fall steuerfrei bleiben müsse. Durch das Vorgehen des Beklagten würde die steuerfreie Lohnersatzleistung im Ergebnis mit erheblicher ESt belegt. Das sei eine verfassungswidrige Handhabung.
Der Beklagte hat den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 13.11.2000 zurückgewiesen. Mit der am 13.12.2000 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter. Die Kläger beantragen, den ESt-Bescheid 1998 vom 30.05.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 13.11.2000 in der Weise zu ändern, dass die ESt 1998 auf Null DM herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Einbeziehung von steuerfreien Lohnersatzleistungen in den Progressionsvorbehalt auch dann rechtmäßig sei, wenn die steuerpflichtigen Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen. Dadurch werde nicht verfassungswidrig in das Existenzminimum eingegriffen.
Dem Gericht haben vorgelegen die ESt-Akten Bd. IV zur Steuernummer ... . Ergänzend wird auf den Akteninhalt, die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die fristgerecht erhobene und sonst auch zulässige Klage ist nicht begründet. Der ESt-Bescheid 1998 vom 30.05.2000 und die Einspruchsentscheidung vom 13.11.2000 sind rechtmäßig.
Die tarifliche ESt bemisst sich gemäß § 32 a Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich nach dem zu versteuernden Einkommen. Bei den im Streitjahr zusammen veranlagten Klägern beträgt die tarifliche ESt gemäß § 32 a Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 32 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG beim zu versteuernden Einkommen bis 26.999 DM Null DM. Durch diesen Grundfreibetrag wird die Freistellung des Existenzminimums von Steuern erreicht und somit dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Rechnung getragen (BFH, Urteil vom 1.08.1986 VI R 181/83, BFHE 147, 360).
Jedoch ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes die Tarifvorschrift des § 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG nur vorbehaltlich des § 32 b EStG, in welchem der Progressionsvorbehalt geregelt ist, anzuwenden. Der Progressionsvorbehalt des § 32 b EStG geht den §§ 32 a Abs. 1 Satz 2 EStG im Range vor (BFH, Urteil vom 1.08.1986 a.a.O., vom 9.08.2001 III R 50/00, BFH/NV 2001, 1655). Wenn ein Steuerpflichtiger, wie im vorliegenden Fall die Klägerin, während des Veranlagungszeitraums Lohnersatzleistungen in Form von Arbeitslosengeld bezogen hat, ist nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 a EStG auf das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden. Der Beklagte hat daher zu Recht die nach § 3 Nr. 2 EStG steuerfreie Lohnersatzleistung des Arbeitslosengeldes unter Abzug des Arbeitnehmerpauschbetrages bei der Berechnung des Steuersatzes einbezogen, der auf das zu versteuernde Einkommen der Kläger anzuwenden ist. Dadurch wird im Rahmen des Progressionsvorbehalts nicht etwa entgegen § 3 Nr. 2 EStG eine steuerfreie Lohnersatzleistung der ESt unterworfen, sondern es wird auf das nach § 32 a Abs. 1 Satz 1 EStG zu versteuernde Einkommen lediglich ein besonderer Steuersatz angewandt. Daraus folgt, dass im Fall der Kläger nicht das empfangene Arbeitslosengeld, sondern ihr zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 24.668 DM mit ESt in Höhe von 1.534 DM belastet worden ist.
Anders als die Kläger meinen, ist daher nicht in allen Fällen ein unterhalb des Grundfreibetrages liegendes zu versteuerndes Einkommen ...