Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung von Großbetrieben im Jahresrhythmus
Leitsatz (redaktionell)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die in Nordrhein-Westfalen eingeführte zeitnahe Betriebsprüfung von Großbetrieben, bei der vom Finanzamt jeweils nur ein Veranlagungszeitraum geprüft wird, gegen den Willen des Unternehmens ermessensfehlerfrei angeordnet werden kann.
Normenkette
AO § 194; BpO § 4 Abs. 2; AO § 193
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Fragen, ob die Antragstellerin zu Recht als Großbetrieb im Sinne des § 3 BpO eingeordnet wurde und die angeordnete Anschlussprüfung im Sinne des § 4 Abs. 2 BpO ermessensfehlerfrei auf einen Besteuerungszeitraum beschränkt werden konnte.
Die Antragstellerin ist eine am 00.00.0000 gegründete Gesellschaft mbH mit einem Stammkapital von … EUR. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Vertrieb von … für …. Sie stand zunächst im alleinigen Anteilsbesitz ihrer Gesellschafterin U.Q.. Als alleiniger Geschäftsführer war ab dem 00.00.0000 Herr N.Q. bestellt. Mit Vertrag vom 00.00.0000 wurden die Anteile der bisherigen Alleingesellschafterin U.Q. unter dem bis zum 00.00.000 befristeten Vorbehalt des Nießbrauchs zu 35 % auf deren Ehemann N.Q. und zu jeweils 32,5% auf deren Söhne I. und D.Q. übertragen. Mit den Dienstverträgen vom 00.00.0000 wurden die Gesellschafter I. und D.Q. zu weiteren Geschäftsführern bestellt. Zugleich wurde mit allen drei Geschäftsführern eine inhaltlich übereinstimmende Vergütungsregelung getroffen, die ein festes Jahresgehalt von … EUR und eine 15-prozentige Gewinntantieme vor Abzug des Tantiemeaufwands aller Geschäftsführer und der ertragsabhängigen Steuern vorsah. Damit entfiel die vormals höhere Vergütung des Geschäftsführers N.Q., während dessen Ansprüche aus der ihm gewährten Pensionszusage vom 00.00.0000 unberührt blieben.
In den Jahren 2000 bis 2006 unterlag die Antragstellerin als Großbetrieb im Sinne des § 3 BpO der Anschlussprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C.. Die Schwerpunkte der Prüfungsfeststellungen lagen in dem Bericht vom 00.00.0000 für die Jahre 2000 bis 2003 in der Hinzurechnung von Provisionszahlungen an die Gesellschafterin (190.724 EUR) und in dem Bericht vom 00.00.0000 für die Jahre 2004 bis 2006 in der Hinzurechnung eines unangemessenen Teiles der Gesamtausstattung des Geschäftsführers N.Q. (2004: … EUR; 2005: … EUR) als verdeckte Gewinnausschüttung.
Bei der Aufstellung des Prüfungsgeschäftsplans für das Jahr 2009 stufte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut als Großbetrieb ein, da sie ausweislich ihrer im Jahr 2006 eingereichten Steuererklärung einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von … EUR erzielt hatte (2005: … EUR; 2006: … EUR). Entsprechend dem Erlass des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11.6.2008 stellte der Antragsgegner für sog. „zeitnahe Betriebsprüfungen” oder „Prüfungen im Jahrestakt” 60 Fälle aus seinem Fallbestand für Betriebsprüfungen mit einem ein- oder zweijährigen Besteuerungszeitraum zusammen. Hieraus wählte er 40 Fälle nach dem Kriterium eines hohen Risikopotenzials, d. h. eines höheren steuerlichen Mehrergebnisses aus einer Vor-Betriebsprüfung, aus. Zu dieser Fallgruppe gehörte nach Auffassung des Antragsgegners wegen des … EUR übersteigenden Ergebnisses aus der Vor-Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 auch die Antragstellerin. Auf das „Ergebnis der Grobstrukturierung nach Sichtung der G-Fälle” vom 19.1.2009 (Bp-HA 2007, Bl. 7) wird Bezug genommen. Dementsprechend ordnete der Antragsgegner am 00.00.0000 eine steuerliche Außenprüfung bei der Antragstellerin für das Jahr 2007 an. Gegenstand der Prüfung sollten die Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer und die gesonderten Feststellungen gemäß §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1, 37 Abs. 2, 38 Abs. 1 KStG sein.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch rügte die Antragstellerin zunächst die sachliche Zuständigkeit des Antragsgegners für den Erlass der Prüfungsanordnung. Die Finanzämter für Groß- und Konzernbetriebsprüfung seien für die Prüfung von Großbetrieben im Sinne des § 3 BpO zuständig (§ 1 Abs. 3 i. V. m. Anlage 3a Nr. 2.2 Buchst. b FÄZustV NW). Gemäß dem BMF-Schreiben vom 21. 9. 2006 (BStBl I 2006, 530) betreffend die Einordnung in Größenklassen gemäß § 3 BpO 2000 zum 1. Januar 2007 setze die Einstufung als Großbetrieb in der hier einschlägigen Kategorie „Andere Leistungsbetriebe” Umsatzerlöse über 4.900.000 EUR oder einen steuerlichen Gewinn über 280.000 EUR voraus. Maßgebend sei dabei nach § 4 Abs. 4 BpO die Größenklasse, in die der Betrieb im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung eingeordnet ist. Der letzte vorliegende Jahresabschluss der Antragstellerin zum 31.12.2007 weise aber lediglich Umsatzerlöse von … TEUR aus, während der zuletzt vor der Prüfungsanordnung ergangene Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 00.00.0000 auf einem Einkommen von … TEUR basiere. Demnach sei die Antragstellerin als Mittelbetrieb einzustufen. Aufgrund der fehlenden sachlichen Zuständigkeit des Antragsgegners ...