Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftserteilung an lettische Steuerverwaltung
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Entscheidung über die Weitergabe von Informationen, die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse betreffen, ist ermessensfehlerfrei, wenn eine Geheimhaltung durch die ausländischen Finanzbehörden rechtlich und tatsächlich gewährleistet ist.
2) Art. 40 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 1798/2003 (Zusammenarbeits-VO) steht einer Auskunftserteilung an die lettische Steuerverwaltung nicht schon deswegen entgegen, weil Lettland im Rahmen der weltweiten Einstufung der Organisation "Transparency International" lediglich Rang 51 einnimmt.
Normenkette
VO (EG) Nr. 1798/2003 Zusammenarbeits-VO Art. 40; VO (EG) Nr. 1798/2003 Zusammenarbeits-VO Art. 41; AO § 117 Abs. 2, § 30 Abs. 4 Nr. 2; BGB § 1004; VO (EG) Nr. 1798/2003 (Zusammenarbeits-VO) Art. 5
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit zweier beabsichtigter Auskünfte der deutschen Finanzbehörden an die lettische Steuerverwaltung.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit Sitz im Inland, die im Metallhandel tätig ist. Sie bezieht überwiegend von innereuropäischen und inländischen Lieferanten Stahlerzeugnisse, die sie weiterveräußert. Nach ihren eigenen Angaben besteht ihr Geschäftsmodel ausschließlich darin, als Streckenhändler durch geschickte Nutzung von Einkaufskonditionen bei Zulieferern und Verkaufkonditionen gegenüber Kunden einen Ertrag aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu erzielen.
Am 12. Januar 2007 gingen beim Antragsgegner zwei Auskunftsersuchen der lettischen Finanzverwaltung ein, die gestützt auf Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer (im Folgenden: Zusammenarbeits-VO) zu folgenden Sachverhalten näher bezeichnete Informationen erbaten:
- Warenlieferungen der Antragstellerin an das lettische Unternehmen A (Akte LV … des Antragsgegners) und
- Warenlieferungen der Antragstellerin an das lettische Unternehmen B (Akte LV …) des Antragsgegners).
Als Anlass für den Auskunftsaustausch gab die lettische Finanzbehörde an, es bestünden in beiden Fällen Zweifel, ob die Umsätze erfolgt und die Warenbeförderungen tatsächlich durchgeführt geworden seien. Es bestehe jeweils der Verdacht auf Betrug.
Hinsichtlich der Warenlieferungen an die A bat die lettische Finanzbehörde daher für die Zeiträume Dezember 2005 und Januar 2006 um Informationen, von welchen Firmen die Antragstellerin die später nach Lettland verkauften Waren bezogen habe und forderte Kopien der Rechnungen und Verträge an. Des Weiteren fragte die lettische Finanzbehörde an, wer die Warentransporte beauftragt und bezahlt habe und bat um Übersendung entsprechender Transportdokumente.
Bezüglich der Warenlieferungen an die B bat die lettische Finanzbehörde für den Zeitraum Februar 2006 bis September 2006 um näher bezeichnete Informationen über den Umfang der von der Antragstellerin erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen an das lettische Unternehmen. Insbesondere erbat die lettische Finanzbehörde um Übermittlung von Angaben, von welchen Firmen und zu welchen Preisen die Antragstellerin die Waren erworben habe. Darüber hinaus erfragte die lettische Finanzbehörde, an welche Anschriften die Gegenstände geliefert worden seien und ob die Antragstellerin in ihrer Buchhaltung für 2006 Umsätze an die B erfasst habe. Außerdem bat die lettische Finanzbehörde um Übersendung von Kopien der Rechnungen, Verträge, Aufträge, Zahlungen und Transportdokumente.
Der Antragsgegner leitete die beiden umsatzsteuerlichen Auskunftsersuchen an das für die Antragstellerin zuständige Finanzamt C weiter und bat, die entsprechenden Ermittlungen durchzuführen und die Ergebnisse mitzuteilen.
Das Finanzamt C bearbeitete die Auskunftsersuchen im Rahmen einer bereits anberaumten Konzernbetriebsprüfung. Am 12. und 16. Juni 2008 übersandte das Finanzamt C dem Antragsgegner die zur Weiterleitung an die lettische Finanzbehörde vorbereiteten Auskünfte und Unterlagen. Das Finanzamt teilte außerdem mit, dass die Antragstellerin Einwendungen gegen die Weiterleitung erhoben habe.
Mit Schreiben vom 22. Juli 2008 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die Weiterleitung der Auskünfte an die lettische Steuerverwaltung beabsichtigt sei. Die Auskunftserteilung sei erforderlich, um eine zutreffende Besteuerung in Lettland sicherzustellen. Da der Auskunftsaustausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Mitgliedsländern der EU aufgrund von Ersuchen durch die Zusammenarbeits-VO gestattet sei, habe die lettische Behörde einen Anspruch auf die Beantwortung der Ersuchen. Die Antragstellerin habe auch nicht dargelegt, inwieweit ihr durch die beabsichtigten Auskünfte ein Schaden entstehen könne. Außerdem kündigte der Antragsgegner eine Weiterleitung der erbetenen Auskünfte am 25. August 2008 an, wenn die Antragstellerin nicht vor diesem Termin anzeige, dass sie im Zusammenhang mit einer Unterlassungskla...