Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragsrücknahme des Stpfl. als Verstoß gegen Treu und Glauben
Leitsatz (redaktionell)
1) Der Grundsatz von Treu und Glauben ist im Steuerrecht als allgemeiner Rechtsgrundsatz uneingeschränkt anerkannt.
2) Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben setzt voraus, dass sich der Stpfl. und das FA als Partner eines konkreten Rechtsverhältnisses gegenüberstehen, in welchem sich eine Vertrauenssituation herausbildet.
3) Dem Stpfl. steht es grundsätzlich frei, Anträge zu stellen und diese wieder zurückzuziehen.
4) Es kann ausnahmsweise unter besonderen Umständen gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn ein Stpfl. die Zustimmung zu einer Berichtigung eines Steuerbescheids verweigert und sich hierdurch in Widerspruch zu früherem Verhalten setzt.
5) Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn der Stpfl. durch besondere Weise, z.B. durch ausdrückliche Erklärung - das Vertrauen des FA erweckt, er werde jedenfalls an dem Antrag festhalten.
6) Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Organträger seinen Änderungsantrag auf Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft bei ihm nach Aufhebung des betreffenden Bescheids bei der Organgesellschaft zurückzieht, wenn es das FA in der Hand hatte, die Berücksichtigung beim Organträger verfahrensrechtlich sicherzustellen.
Normenkette
AO § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, §§ 174, 4
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin war im Streitjahr 1993 Alleingesellschafterin der T GmbH (im folgenden GmbH). Die Klägerin schloss mit der GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der ab dem 1.Januar 1993 Geltung haben sollte. Danach sollte die Klägerin Organträger, die GmbH Organgesellschaft sein.
Im Streitjahr erzielte die im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts X ansässige GmbH einen Gewinn in Höhe von 2.611.573,00 DM.
Im Rahmen der am 15. Mai 1996 beim Beklagten eingegangene Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung erklärte die Klägerin ihre Einkünfte inklusive des von der GmbH erzielten Gewinnes.
Der Beklagte folgte der Erklärung zunächst und stellte die Einkünfte erklärungsgemäß fest. Die Feststellung erfolgte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO –).
Mit Bescheid vom 10.Dezember 1998 änderte der Beklagte den Feststellungsbescheid gemäß § 164 Abs. 2 AO. Die Feststellung erfolgte weiterhin inklusive der Einkünfte der Organgesellschaft. Der Bescheid enthielt den Hinweis, der Vorbehalt der Nachprüfung bleibe bestehen.
Am 11. Dezember 2001 erließ der Beklagte einen weiteren, ebenfalls auf § 164 Abs. 2 AO gestützten Änderungsbescheid. Die Feststellung der Einkünfte erfolgte nunmehr ohne Einbeziehung der Einkünfte der Organgesellschaft. Der Bescheid enthielt den Hinweis, der Vorbehalt der Nachprüfung werde aufgehoben.
Gegen diesen Bescheid wandte sich die jetzigen Prozessbevollmächtige der Klägerin schriftlich. Das Schreiben ging am 17. Januar 2002 beim Beklagten ein. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:
„…Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1993 bis 1997… namens und im Auftrag unseres o.g. Mandanten legen wir gegen die obigen Bescheid form- und fristgerecht Einspruch ein.
Begründung: Wegen der Nichtanerkennung des Gewinnabführungsvertrages zwischen der T GmbH und der E GmbH & Co. KG im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 1993 bis 1997 haben wir Einspruch gegen die entsprechenden Bescheide eingelegt. Weiterhin haben wir Einspruch gegen die Gewinnfeststellungsbescheide der Q GmbH & Co. KG eingelegt. Beide Sachverhalte sind bei den gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungen der R GmbH & Co. KG zu berücksichtigen.
Wir bitten Sie daher, die Ergebnisse der Einspruchsverfahren abzuwarten und entsprechend bei den gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung der R GmbH & Co. KG 1993 bis 1997 zu berücksichtigen…”
Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass die Rechtsfrage der Anerkennung eines körperschaftsteuerlichen Organschaftsverhältnisses zwischen der T GmbH und der E GmbH & Co. KG bzw. der R GmbH & Co. KG geprüft werde. Wegen dieser Verfahren werde, wie bereits im Rahmen der geführten Telefonate vereinbart, die Entscheidung über die Einsprüche unter dem Vorbehalt des Widerrufs bis zur Entscheidung im Verfahren der GmbH ruhen gelassen.
Beim Beklagten am 28. Juli 2004 eingehend teilte das Finanzamt X mit, dass dem Organträger (E GmbH & Co. KG) ein Einkommen in Höhe von 2.611.573,00 DM der Organgesellschaft T GmbH zuzurechnen sei.
Eine Reaktion des Beklagten hierauf erfolgte nicht.
Am 18. November 2004 erklärte die jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber dem Beklagten, dass der Einspruch gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1993 vom 20.12.2001 zurückgenommen werde.
Am 6. Dezember 2004 bat der Beklagte beim Finanzamt X um Übersendung geänderter Mitteilungen. Es wurde ferner um Mitteilung gebeten, ob und wann der Organträger g...