Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld für ausländische Eltern
Leitsatz (redaktionell)
§ 62 Abs. 2 EStG idF des JStG 1996 ist entgegen seinem Wortlaut so auszulegen, dass der Ausschluss von Ausländern nicht für solche Eltern gilt, die auf unbestimmte Zeit nicht abgeschoben werden können und die sich seit mindestens einem Jahr ununterbrochen in Deutschland aufhalten.
Normenkette
EStG § 62 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger ist gelernter Maurer und stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien. Er ist Vater von fünf Kindern, ohne allerdings mit der Mutter der Kinder verheiratet zu sein (Kindergeld-Akte, Bl. 33 ff., 52). Er lebt mit seiner Familie bereits seit mehreren Jahren im Inland. In der Zeit von 1996 bis Oktober 2001 bezog der Kläger Sozialhilfe. Seit Oktober 2001 ging er einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Er ist weder in Besitz einer Aufenthaltserlaubnis noch einer Aufenthaltsberechtigung; im Juli 2001 wurde ihm allerdings eine Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung (Duldung) erteilt, die mehrfach verlängert wurde. Am 26. Oktober 2002 wurde ihm eine unbefristete Arbeitsgenehmigung erteilt. Später wurde ihm eine Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG a. F.) erteilt (Kindergeld-Akte, Bl. 60 ff.).
Der Kläger, an den das Kindergeld für die fünf Kinder laufend ausgezahlt wurde, bezog bis Oktober 2004 Arbeitslosengeld. Auch für die Monate November und Dezember 2004 hat er jeweils 820 EUR Kindergeld erhalten. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten im Dezember 2004 erklärte er, dass er seit dem 26. Oktober 2004 lediglich Arbeitslosenhilfe beziehe und nach wie vor im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis sei. Seit Dezember 2004 steht die Kindesmutter in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Ab Dezember 2004 wurde deshalb das Kindergeld gegenüber der Kindesmutter festgesetzt, so dass das Kindergeld für den Monat Dezember 2004 doppelt ausgezahlt worden ist (Kindergeld-Akte, Bl. 77, 94).
Mit Bescheid vom 30. Mai 2005 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für den Kläger für die Monate ab November 2004 auf und fordert das Kindergeld für die Monate November und Dezember 2004 zurück. Ein Anspruch auf Kindergeld für Ausländer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland bestehe nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG nur, wenn diese im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Aufenthaltserlaubnis seien. Deshalb sei dem Kläger das Kindergeld lediglich aufgrund überstaatlicher Rechtsvorschriften bewilligt worden. Ab dem Monat November 2004 habe der Kläger jedoch auch die Voraussetzungen für das Abkommenskindergeld nach Art. 28 Abs. 1 des deutsch-jugoslawischen Abkommen über soziale Sicherheit nicht mehr erfüllt, da er seit dem 26. Oktober 2004 keine Lohnersatzleistungen (Arbeitslosengeld) mehr beziehe.
Mit der nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 26. September 2005) erhobenen Klage, die zunächst gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid für die Monate November und Dezember 2004 insgesamt gerichtet war, wehrt sich der Kläger jetzt noch gegen die Rückforderung des Kindergelds für den Monat November 2004. Gegen die Rückforderung des Kindergelds für den Monat Dezember 2004 erhebt der Kläger keine Einwendungen mehr, da der Kindesmutter ab diesem Monat das Kindergeld aufgrund eines eigenen Anspruchs gewährt worden ist. Betreffend die Aufhebung und Rückforderung des Kindergelds für November 2004 führt der Kläger aus: Die Beklagte habe bei der Gewährung des Kindergelds die persönliche Lage des Klägers gekannt. Der Kläger habe – vertrauend auf das an ihn gezahlte Kindergeld – keinen weiteren Antrag auf ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt gestellt. Deshalb sei die Rückforderung des Kindergelds für den Monat November selbst dann, wenn es dem Kläger tatsächlich nicht zugestanden haben sollte, zumindest treuwidrig.
Der Kläger beantragt, den Bescheid über die Aufhebung und Rückforderung des Kindergelds vom 30. Mai 2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 26. September 2005 dahin zu ändern, dass die Kindergeldfestsetzung lediglich für den Monat Dezember 2004 aufgehoben und das Kindergeld nur in Höhe von 820 EUR zurückgefordert wird.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, ein Kindergeldanspruch bestehe für Ausländer, die weder in Besitz einer Aufenthaltsberechtigung noch einer Aufenthaltserlaubnis seien, nach der die Regelung des § 62 Abs. 2 EStG ergänzenden sozialgerichtlichen Rechtsprechung nur für die Zeiten, in denen der Kläger Arbeitnehmer i.S. Art. 28 Abs. 1 des deutsch-jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit gewesen sei. Dies sei nur der Fall, wenn sie in Deutschland eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausübten bzw. Krankengeld oder Arbeitslosengeld bezögen. Zu den Leistungsbezügen i.S. Art. 28 Abs. 1 Satz 2 dieses Abkommens gehöre ausdrücklich nur das Arbeitslosengeld, nicht aber an...