Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedeutung der einfachen Signatur bei elektronischen Dokumenten; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei formwidriger Klage
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine als elektronisches Dokument eingereichte Klageschrift muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein; dies ist bei PDF-Dokumenten der Fall, nicht aber bei Dokumenten im Format „.docx”.
2. Die einfache Signatur meint die Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, bestehend entweder aus einem maschinenschriftlichen Namenszug unter dem Schriftsatz oder einer eingescannten Unterschrift.
3. Die einfache Signatur ermöglicht wie die eigene Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Verfahrenshandlung und bringt dessen unbedingten Willen zum Ausdruck, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen.
4. Eine weder einfach noch qualifiziert signierte Klageschrift ist unwirksam, auch wenn der Bearbeiter im Briefkopf des Schriftsatzes genannt ist.
5. Es entspricht dem Recht auf ein faires Verfahren, dass es den Gerichten verwehrt ist, aus eigenen oder ihnen zurechenbaren Fehlern oder Versäumnissen Nachteile für den von diesen betroffenen Beteiligten herzuleiten.
6. Eine Prozesspartei muss deshalb vom Gericht – notfalls auch per Telefon oder Telefax – auf einen leicht erkennbaren Formmangel, wie eine einfache Signatur in einem bestimmenden Schriftsatz, hingewiesen werden, um ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben.
Normenkette
GG Art. 20 Abs. 3; AO § 122 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 47 Abs. 1, §§ 52a, 54 Abs. 2, § 56; ZPO § 222; BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2; ERVV § 2 Abs. 1 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Nachgang zu einer bei dem Kläger durchgeführten Betriebsprüfung um die Berücksichtigung von Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben sowie die Höhe der vom Kläger erzielten Mieteinnahmen.
Auf Grundlage der von der Betriebsprüfung im Prüfungsbericht vom 28.09.2022 getroffenen Feststellungen wurden die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre mit Bescheiden vom 22.02.2023 nach § 164 Abs. 2 AO geändert und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Der Kläger legte hiergegen am 06.03.2023 Einspruch ein. Diesen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 19.09.2023 zurück.
Ausweislich des hierzu gerichtsseitig erstellten Prüfvermerkes ist am Freitag, dem 20.10.2023, um 11:53:10 Uhr eine als Klage überschriebene im Namen der Prozessbevollmächtigten des Klägers verfasste Word-Datei (.docx) über deren besonderes Steuerberaterpostfach an das Gericht übermittelt worden. Der Kläger war im Handelsregister seit dem 00.00.2017 als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Prozessbevollmächtigten eingetragen. Ausweislich des Prüfvermerks war das Dokument nicht mit einer qualifizierten Signatur versehen. Das Dokument enthielt zwischen dem Text und der Aufzählung der mitübersandten Anlagen keine Unterschrift oder maschinenschriftliche Namensnennung.
Das Dokument ist der Vorsitzenden Richterin des Senates am Montag, dem 23.10.2023 delegiert und die Eingangsverfügung durch die Vorsitzende Richterin am selben Tage um 13:58 Uhr bearbeitet worden. Anschließend ist das Verfahren noch am selben Tage an den Berichterstatter delegiert worden. Dieser hat die Eingangsverfügung am folgenden Tag, dem 24.10.2023 bearbeitet. In dieser hat das Gericht die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass die Klage nicht wirksam eingereicht worden sein dürfte, da das elektronische Dokument gemäß §§ 52 d, 52a FGO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person zu versehen sei oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müsse. Darüber hinaus sei das elektronische Dokument im pdf-Format zu übersenden. Die Verfügung ist am 24.10.2023 an die Prozessbevollmächtigte des Klägers übermittelt worden, die daraufhin noch am selben Tage die Klageschrift, nunmehr mit einer Unterschrift des Klägers versehen, um 19:53:51 Uhr erneut übermittelt hat. Der gerichtsseitig erstellte Prüfvermerk der erneuten Übermittlung trägt den Hinweis: „Sicherer Übermittlungsweg aus einem besonderen Steuerberaterpostfach.” und weist als Absender die A GmbH Steuerberatungsgesellschaft Berufsausübungsgesellschaft aus.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Klageerhebung am 20.10.2023 formwirksam erfolgt sei. Es sei nicht nachvollziehbar warum es einer textlichen Darstellung des Namens des Verfassers unter dem Schriftstück bedürfe, wenn dieses durch ein zertifiziertes und gesichertes Übertragungsverfahren wie das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) übermittelt werde, das durch die unumgängliche elektronische Zertifizierung und über den elektronisch eingelesenen Personalausweis gesichert sei. Selbst wenn es einer Namenswiedergabe bedürfe, stelle sich die Frage, ob die im Kopf der Klage genannte Namensne...