Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines vordatierten Steuerbescheids
Leitsatz (redaktionell)
1) Das Datum eines Steuerbescheids ist kein Inhaltsbestandteil i.S. des § 119 AO. Es hat (nur) die Funktion, die vom Finanzamt vorgenommene Steuerfestsetzung zeitlich zu fixieren und in diesem Sinne den Bescheid zu kennzeichnen.
2) Für die Wirksamkeit eines Steuerbescheids kommt es nicht auf das Datum des Bescheids, sondern ausschließlich auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe an.
3) Es ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen das Ende der Einspruchsfrist irrigerweise vom Datum des vordatierten Bescheids statt vom Zeitpunkt der Zustellung berechnet.
Normenkette
AO §§ 124, 110, 119
Nachgehend
Tatbestand
Der Beklagte führte die Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer für das Streitjahr ebenso wie die Veranlagung des Klägers zur Umsatzsteuer und Gewerbesteuer unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch. Sämtliche Bescheide tragen das Datum 14.11.2005 sowie einen Stempelaufdruck „Zugestellt durch Postzustellungsurkunde”. Als Zahlungsfrist ist im Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid jeweils der 19.12.2005 angegeben. In der Einkommensteuerakte befindet sich auf dem Eingabebogen ein Stempelaufdruck in dem handschriftlich eingetragen ist, dass die Bescheidausfertigungen an die Kläger am 14.11.2005 mit PZU abgesandt worden seien. Tatsächlich wurden die Bescheide den Klägern bereits am 7.11.2005 durch Einwurf in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. In den Zustellungsurkunden (betreffend Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheid für den Kläger, betreffend den Einkommensteuerbescheid für die Klägerin) ist angegeben, dass der Tag der Zustellung auf dem Umschlag des Schriftstücks vermerkt wurde.
Hiergegen legten die Kläger, vertreten durch den Steuerbevollmächtigten …, mit Schreiben vom 14.12.2005 Einsprüche ein, die ausweislich des Poststempels am selben Tag beim Beklagten eingingen.
Mit Schreiben vom 8.2.2006 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass die auf den 14.11.2005 datierten Bescheide bereits am 7.11.2005 zugestellt worden seien. Die Rechtsbehelfsfrist habe daher am 8.11.2005 begonnen und am 7.12.2005 um 24 Uhr geendet. Die Einsprüche seien jedoch erst am 14.12.2005 und daher verspätet eingegangen. Der Beklagte wies zugleich darauf hin, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf Antrag gewährt werden könne, wenn die Frist ohne Verschulden versäumt worden sei. Der Antrag sei innerhalb eines Monats nach Wegfall der Hinderungsgründe zu stellen.
Daraufhin beantragte der Steuerbevollmächtigte … mit Schreiben vom 13.3.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung machte er geltend, dem Beklagten sei offensichtlich bei der Übergabe der Bescheide an das mit der Zustellung beauftragte Unternehmen ein Fehler unterlaufen. Dies könne jedoch nicht zu Lasten der Steuerpflichtigen gehen, die sich auf das in den Bescheiden angegebene Datum hätten verlassen können und dementsprechend am 14.12.2005 Einsprüche eingelegt hätten. Dies entspreche auch den aus den Bescheiden ersichtlichen Fälligkeitsdaten der jeweiligen Nachzahlungen. Das Schreiben vom 13.3.2006 trägt den Eingangsstempel 14.3.2006.
Der Beklagte wies die Kläger mit Schreiben vom 7.4.2006 darauf hin, dass die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 13.3.2006 geendet habe, der Antrag aber erst am 14.3.2006 – und damit verspätet – eingegangen sei.
Mit Schreiben vom 3.4.2006, das beim Beklagten am selben Tag einging, machten die Kläger geltend, die Einsprüche seien rechtzeitig erfolgt. Die Zustellung eines Bescheides, der ein konkretes Datum enthalte, dürfe vor diesem Zeitpunkt nicht erfolgen. Geschehe dies dennoch, werde durch die insoweit fehlerhafte Zustellung eine Rechtsbehelfsfrist entsprechend der im Bescheid erteilten Rechtsbehelfsbelehrung nicht ausgelöst, es gelte die Jahresfrist. Die Zustellung könne zumindest nicht früher als zu dem im Bescheid ausdrücklich aufgeführten Zeitpunkt als bewirkt gelten. Werde dem nicht gefolgt, sei zumindest die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der damalige Bevollmächtigte des Klägers habe auf die Angaben in den Bescheiden des Beklagten vertrauen dürfen und nicht damit rechnen müssen, dass eine Zustellung schon vor dem Datum der Bescheide erfolgt sein könnte. Vielmehr lasse die im Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheid aufgegebene Zahlungsfrist (19.12.2005) bei Fachkundigen keine Zweifel daran aufkommen, dass die in den Bescheiden angegebenen Daten mit der Aufgabe zur Post übereinstimmen müssten. Die fehlerhafte Grundlage für die Fristberechnung habe der Beklagte gesetzt; darauf zu vertrauen, könne dem Bevollmächtigten nicht als Verschulden angelastet werden. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei auch rechtzeitig beim Beklagten eingegangen. Der Steuerbevollmächtigte … habe den Antrag am 13.3.200...