Entscheidungsstichwort (Thema)
Verständigungsverfahren, Antragsfrist
Leitsatz (redaktionell)
Die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 26 DBA-Schweiz ist an keine Antragsfrist gebunden (gegen BMF-Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren vom 13.7.2006, Abschnitt 2.2.3., BStBl I 2006, 461).
Normenkette
DBA-Schweiz Art. 26 Abs. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Verständigungsverfahren einzuleiten ist oder ob der Kläger insoweit die Antragsfrist versäumt hat.
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Im Streitjahr 2005 war er als Geschäftsführer der in der Schweiz ansässigen B AG tätig. Aus dieser Tätigkeit erzielte er Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Diese Einkünfte wurden sowohl in der Schweiz als auch in der Bundesrepublik Deutschland der Einkommensteuer unterworfen.
Die Besteuerung in der Schweiz erfolgte mit dem Schweizer Einkommensteuerbescheid vom 31. Mai 2006 (s. Schriftsatz des Bekl. v. 14. August 2015, Seite 2, Bl. 81 der E-Akte). In Deutschland wurden diese Einkünfte mit Einkommensteuerbescheid vom 6. März 2007 erfasst.
Die bezüglich des Streitjahres 2005 am 24. Februar 2011 beim zuständigen Finanzgericht Baden-Württemberg eingelegte Klage (Az.: 3 K 3878/13) war mangels wirksamen Einspruchs unzulässig. Die Beteiligten erklärten in der Folge das Klageverfahren insoweit in der Hauptsache für erledigt.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2011 (Posteingangsdatum beim Beklagten: 13. Dezember 2011) stellte der Kläger einen Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 26 Abs. 1 DBA-Schweiz.
Mit Bescheid vom 14. April 2015 wurde der Antrag wegen Versäumung der Antragsfrist im Wesentlichen mit folgenden Argumenten abgelehnt:
- Der Kläger habe die in dem BMF-Schreiben vom 13. Juli 2006 (Merkblatt zum internationalen Verständigungs- und Schiedsverfahren auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, BStBl I 2006, 461) in Tz. 2.2.3. geregelte Vierjahresfrist nicht eingehalten.
- Die Tatsache, dass in selber Sache ein finanzgerichtlicher Streit am Finanzgericht Baden-Württemberg anhängig sei, habe keinen Einfluss auf die durch das Bundesministerium für Finanzen geregelte Frist.
- Die Vierjahresfrist des BMF Schreibens vom 15. April 2014 korrespondiere im Übrigen mit der regulären Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO, die anzuwenden sei, da insoweit eine vergleichbare Situation vorliege.
- Im Übrigen sei der allgemeine Rechtsgrundsatz der Verwirkung, also der illoyalen Rechtsausübung aufgrund zeitlicher Verspätung, einschlägig.
Am 5. Mai 2015 hat der Kläger eine Sprungklage gemäß § 45 FGO erhoben, der der Beklagte (nach Zustellung der Klage am 12. Mai 2015) am 15. Juni 2015 zugestimmt hat.
Der Kläger trägt vor, dass das Verfahren besonders eilbedürftig sei, da die Frist zur Revision von Veranlagungsverfügungen in der Schweiz zehn Jahre ab dem Datum des Erlasses der Verfügung betrage (Art. 147 ff. DBG, Art. 51 StHG). Als Grund für eine Revision einer Schweizer Veranlagungsverfügung diene insbesondere auch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach einem von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Die Frist zur Revision des Schweizer Einkommensteuerbescheides 2005 werde demnächst ablaufen, so dass er ein besonderes Interesse daran habe, dass zuvor eine Entscheidung über die Einleitung des Verständigungsverfahrens getroffen werde.
Zwar sei die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hinsichtlich des Streitjahres 2005 unzulässig gewesen. Gleichwohl habe der zuständige Berichterstatter in dem dort durchgeführten Erörterungstermin feststellt, dass das Besteuerungsrecht für das Jahr 2005 bezüglich der Geschäftsführereinkünfte der Bundesrepublik Deutschland zustehe, da er in vollem Umfang die Voraussetzungen für eine Besteuerung als Grenzgänger gemäß Art. 15a DBA-Schweiz erfülle. Damit erweise sich die im Jahr 2005 in der Schweiz gegen ihn vorgenommene Besteuerung – mit Ausnahme der 4,5 %igen Grenzgängersteuer nach Art. 15a Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz – als abkommenswidrig.
Rechtsgrundlage für die begehrte positive Ermessensentscheidung des Beklagten sei Art. 26 DBA-Schweiz. Weder aus Art. 26 DBA-Schweiz noch aus dem hierzu gehörigen Transformationsgesetz vom 5. September 1972 (BGBl II 1972, 1021), zuletzt vom 2. November 2011 (BGBl II 2011, 1090), ergebe sich eine Fristgebundenheit für einen Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens.
Da die Bundesrepublik vielfach in ihren Doppelbesteuerungsabkommen derartige Fristen explizit regele, könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich die deutsche Verhandlungsdelegation bei der Aushandlung des Doppelbesteuerungsabkommens über die Frage einer Fristenregelung nicht bewusst gewesen sei. Hinzu komme, dass in der deutschen Abkommenspraxis für die Einleitung von Verständigungsverfahren eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Fristenregelungen festzustellen sei, die in vielen Fällen von der Fristenregelung des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 OEC...