Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug für Beiträge zur sog. Riester-Rente bei fehlender Anlage AV
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berücksichtigung von Vorsorgeaufwand gemäß § 10a Abs. 1, 2 EStG setzt einen Antrag des Steuerpflichtigen voraus, der in Form einer Anlage AV als amtlicher Erklärungsvordruck gestellt werden muss.
2. Die Zertifizierung eines Altersvorsorgevertrages gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 EStG als Grundlagenbescheid beschränkt sich darauf, das für einen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG notwendige Vorliegen der Voraussetzungen im Sinne der §§ 1, 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes festzustellen.
3. Es besteht keine zwingende Verpflichtung der Finanzbehörde im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO, allein aufgrund der Datenübermittlung den Sonderausgabenabzug zu gewähren. Die an die Finanzbehörde übermittelten Daten gemäß § 10a Abs. 5 EStG stellen keinen Grundlagenbescheid im Sinne des § 171 Abs. 10 AO für Zwecke des Vorsorgeabzuges dar.
4. Bei einem fehlenden oder erst nach Eintritt der Bestandskraft der betreffenden Einkommensteuerfestsetzung gestellten Antrag des Steuerpflichtigen stellt die Nichtberücksichtigung eines Sonderausgabenabzuges keine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO dar, da es an einem mechanischen Versehen der Finanzbehörde mangelt. Dies gilt auch dann, wenn die Finanzbehörde durch einen Datenabgleich (§ 10a Abs. 5 EStG) hätte feststellen können, dass der Steuerpflichtige zulagenbegünstigte Altersvorsorgebeiträge geleistet hat. Die Verletzung der ggfs. bestehenden Ermittlungspflicht der Finanzbehörde, ob auf die Berücksichtigung des Vorsorgeaufwands verzichtet werden sollte, schließt die Anwendung des § 129 AO aus.
Normenkette
EStG § 10a Abs. 5, § 82 Abs. 1 S. 2; AO §§ 129, 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 10a Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Klage richtet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.07.2018. Durch diesen Bescheid hatte der Beklagte den Antrag der Kläger vom 29.06.2018 auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom 13.04.2017 wegen offenbarer Unrichtigkeit abgelehnt.
Die Besteuerungsgrundlagen für die Kläger waren zunächst durch Einkommensteuerbescheid 2012 vom 16.07.2014 geschätzt worden. Nach Abgabe einer Steuererklärung für das Streitjahr erging am 29.08.2014 ein Änderungsbescheid. Eine Anlage AV für Angaben zu Altersvorsorgebeiträgen war der Erklärung nicht beigefügt. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Am 13.04.2017 erging ein auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geänderter Einkommensteuerbescheid 2012.
Mit ihrem Antrag vom 29.06.2018 begehrten die Kläger die Änderung des Bescheides vom 13.04.2017 mit der Begründung, der Beklagte habe bei der Einkommensteuerveranlagung 2012 weder die Versicherungsbeiträge für den seit Dezember 2012 bestehenden Riester-Vertrag für die Klägerin berücksichtigt, noch die staatliche Altersvorsorgezulage und die Kinderzulage. Die für die Berücksichtigung erforderlichen Daten seien vom Versicherungsunternehmen an das Finanzamt gemeldet worden.
Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag ab, da ein Sonderausgabenabzug für Riester – Beiträge mangels Vorlage einer Anlage AV nicht berücksichtigt werden könne. Der Einkommensteuerbescheid sei im Übrigen inzwischen bestandskräftig.
Dagegen erhoben die Kläger Einspruch. Es liege eine offenbare Unrichtigkeit vor. Das Finanzamt habe sich einen Fehler der Steuerpflichtigen zu Eigen gemacht. Aus § 10a EStG ergebe sich auch nicht, dass eine Anlage AV hätte abgegeben werden müssen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben zur Begründung des Einspruches vom 30.08.2018 verwiesen.
Der Beklagte wies den Einspruch durch Entscheidung vom 21.08.2019 als unbegründet zurück. Es seien weder die Voraussetzungen des § 129 AO erfüllt, noch könne eine Korrektur nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgen. – Wegen der Einzelheiten in der Begründung wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen.
Ihre dagegen gerichtete Klage begründen die Kläger wie folgt: Im Zeitpunkt der Bearbeitung des Steuerfalles für die Kläger hätten dem Beklagten eine Einkommensteuererklärung 2012, ebenso die zertifizierten Altersvorsorgeverträge des Anbieters, sowie die Meldung des Anbieters über die im Kalenderjahr 2012 von den Steuerpflichtigen geleisteten Altersvorsorgebeiträge vorgelegen. Die Kläger hätten nie versucht, einen unberechtigten Steuervorteil zu erlangen. Das Finanzamt habe den Klägern auch nie mitgeteilt, wie es mit den gemeldeten Altersvorsorgebeiträgen im Rahmen der steuerlichen Veranlagung verfahren sei. Soweit das Finanzamt vortrage, die Nichtberücksichtigung der Beiträge sei bewusst erfolgt, sei diese bewusste Entscheidung den Klägern nie mitgeteilt worden. Die Finanzbehörde verletze ihre Aufklärungspflicht, wenn sie Tatsachen und Beweismittel außer Acht lasse und offenkundigen Zweifeln nicht nachgehe. In ...