Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtbarkeit der Übertragung von unwiderruflichen Bezugsrechten aus Lebensversicherungen
Leitsatz (redaktionell)
1) Die unentgeltliche nachträgliche Einräumung von Bezugsrechten aus Lebensversicherungsverträgen ist nach Maßgabe von § 4 AnfG anfechtbar.
2) Eine dem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erteilte Restschuldbefreiung ist jedenfalls dann kein dem Anfechtungsgegner zustehender und damit dessen Duldungsinanspruchnahme hindernder Einwand, wenn der Duldungsbescheid bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt gegeben worden ist und mit der Gläubigeranfechtung Rechtshandlungen angefochten werden, die vorgenommen worden sind, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Normenkette
AnfG §§ 2, 4 Abs. 1; AO §191; AnfG § 1
Tatbestand
Streitig ist, ob und inwieweit der Beklagte die Klägerin zu Recht als Duldungsverpflichtete für Steuerschulden ihres Lebensgefährten in Anspruch genommen hat.
Die Klägerin und ihr langjähriger Lebensgefährte, Herr A, führten nach eigenen Angaben der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum einen gemeinsamen Haushalt in der B-Straße … in C. Ausweislich einer elektronischen Melderegisterabfrage des Beklagten vom 12. August 2011 waren sowohl die Klägerin als auch Herr A seit dem 23. August 2001 unter dieser Anschrift melderechtlich erfasst. Die Herrn A betreffende Auskunft weist jedoch zum Abfragezeitpunkt (12. August 2011) für ihn den Status „verzogen nach unbekannt” aus. Einem Aktenvermerk des Bearbeiters des Beklagten vom 15. August 2011 zufolge war Herr A wegen seines unbekannten Aufenthaltsorts und eines seinerzeit gegen ihn laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zur Fahndung ausgeschrieben. Der Steuerberater des Herrn A hatte indes unter dem 19. Juli 2011 dessen neue Anschrift in Großbritannien mitgeteilt. Im Rahmen seines Schriftwechsels mit der D-Versicherung AG (vgl. z.B. Schreiben vom 31. Januar 2011) hatte Herr A als Anschrift allerdings noch seine inländische Adresse in C, B-Straße … angegeben. Diese ist auch noch in der am 30. August 2012 verfassten Klageschrift im ersten Rechtsgang (10 K 2692/12) als ladungsfähige Adresse des als Zeugen benannten Herrn A angeführt.
Herr A hat(-te) ausweislich einer Rückstandsaufstellung vom August 2011 in den Jahren 2004 bis 2008 entstandene und seit 2010 bzw. 2011 fällige Abgabenverbindlichkeiten i.H. von insgesamt rund 200.000 €. Wegen dieser Rückstände hatte der Beklagte in der Zeit von Januar bis April 2011 diverse Vollstreckungsmaßnahmen gegen Herrn A ergriffen. Hierzu gehörten u.a. fünf unter dem 2. Februar 2011 ausgebrachte Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, mit denen der Beklagte – im Ergebnis erfolglos versucht hatte, die Ansprüche des Herrn A aus mehreren von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungen zu pfänden. Wegen der Beitreibungsmaßnahmen im Einzelnen wird auf die innerbehördliche Mitteilung der Vollstreckungsstelle vom 12. August 2011 Bezug genommen.
Mit im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben vom 30. März 2011, 8. April 2011 und 28. April 2011 kündigte der Beklagte der Klägerin an, dass er beabsichtige, die am 25. Januar 2011, 26. Januar 2011 und 31. Januar 2011 erfolgten Übertragungen der Bezugsrechte aus den Lebensversicherungen des Herrn A bei der D1-Versicherung AG, bei der Q-Versicherung AG, bei der W-Versicherung AG und bei der M-Versicherung nach §§ 3, 4 Anfechtungsgesetz (AnfG) anzufechten und sie – die Klägerin – gemäß § 191 AO per Duldungsbescheid in Anspruch zu nehmen. Zugleich gab er ihr Gelegenheit zur Geltendmachung etwaiger Einwendungen. Sämtliche Anhörungsschreiben enthielten eine tabellarische Auflistung der mit insgesamt 198.487, 75 € bezifferten (fälligen) Abgabenverbindlichkeiten des Herrn A aus den Jahren 2005 bis 2008.
Unter dem 26. April 2011 und 3. August 2011 nahm die Klägerin zu der angekündigten Duldungsinanspruchnahme Stellung. Hierzu führte sie unter anderem aus, dass die Einräumung der Bezugsberechtigung nicht unentgeltlich erfolgt sei, weil sie Herrn A ihrerseits großzügig finanziell unterstützt habe, z.B. durch Überlassung eines Geldbetrags von 10.000 € am 26. Mai 2010 sowie durch Übernahme eines Großteils der gemeinsamen Lebenshaltungskosten, die sich allein für die Zeit von Januar 2009 bis Juli 2011 auf ca. 19.200 € belaufen hätten und aufgrund der seit 2009 drastisch verschlechterten finanziellen Verhältnisse des Herrn A wohl auch zukünftig von ihr zu tragen seien. Aus ihrer Sicht habe die Bezugsrechtseinräumung daher lediglich der „Entschädigung” und „Gegenleistung” hierfür gedient. Außerdem bestritt die Klägerin, dass Herr A mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt habe; vielmehr sei es ihm lediglich darum gegangen, sie – die Klägerin – für die Zukunft finanziell abzusichern und ihr gleichzeitig eine Gegenleistung für die von ihr übernommenen Beiträge zum gemeinsamen Lebensunterhalt zukommen zu lassen. Schließlich wies die Klägerin darauf hin, dass ihr nach erfolgter Kündigung des Versicherungsvertrags bisher lediglich die Vers...