Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreier Zweckbetrieb bei der Veräußerung von Blutgerinnungsfaktoren
Leitsatz (redaktionell)
Der Gewinn aus der Veräußerung von Faktorpräparaten (Blutgerinnungsfaktoren) zur Heimselbstbehandlung an unter Hämophilie leidenden Patienten ist dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb "Krankenhaus" zuzuordnen.
Normenkette
SGB V § 116b; AO § 67
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Gewinn aus der Veräußerung von Faktorpräparaten (Blutgerinnungsfaktoren) zur Heimselbstbehandlung an unter Hämophilie leidenden Patienten dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers oder seinem steuerbegünstigten Zweckbetrieb gemäß § 67 AO zuzuordnen ist.
Der Kläger ist ein Klinikum …. Er verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung und nimmt … Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen wahr. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger die Voraussetzungen nach § 67 AO erfüllt.
Der Kläger gibt Blutgerinnungsfaktoren ganz überwiegend an eigene Patienten im Rahmen der Heilbehandlung aus. Die Faktorpräparate werden fast ausschließlich im Rahmen der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung und nur selten in der Ambulanz des Klägers oder … verabreicht. Die Abgabe an „fremde” Patienten erfolgt in weniger als 1% der Fälle. Es handelt sich dann um Fälle, wo andere Krankenhäuser im Rahmen eines Notfalls beim Kläger um entsprechende Präparate nachsuchen. Im Fall der Heimselbstbehandlung kommen die Patienten je nach Alter zwischen zwei- und sechsmal jährlich sowie zusätzlich bei aufgetretenen Blutungen in das Behandlungszentrum des Klägers. Bei diesen Besuchen werden die Gerinnungsfaktoren unmittelbar von den behandelnden Ärzten an die Patienten abgegeben. Die Abgabe wird von dem behandelnden Arzt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Transfusionswesens (Transfusionsgesetz – TFG) für Zwecke der ärztlichen Behandlung der von der Anwendung betroffenen Personen und für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz dokumentiert. Im weiteren Behandlungsverlauf hat der Patient die Einnahme der Präparate zu dokumentieren. Diese Dokumentation wird von dem behandelnden Arzt überwacht und geprüft.
Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 3.11.2009, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, die Körperschaftsteuer antragsgemäß auf 0,00 EUR fest. Auch der Änderungsbescheid vom 9.6.2010 setzte die Körperschaftsteuer auf 0,00 EUR fest.
Bei dem Kläger fand ab 2010 eine Außenprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung M statt. In Tz. 2.10.1 des Prüfungsberichts vom 21.2.2014, auf den Bezug genommen wird, kommt der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Abgabe von Faktorpräparaten dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers zuzurechnen sei. Der Gewinn des Klägers hieraus beträgt unstreitig … EUR.
Der Beklagte folgte der Auffassung des Prüfers und erließ am 7.8.2014 einen Körperschaftsteueränderungsbescheid.
Der Kläger legte gegen den Änderungsbescheid rechtzeitig Einspruch ein.
Der Beklagte änderte den Bescheid aus anderen Gründen mit Bescheid vom 30.10.2014. Mit Änderungsbescheid vom 20.2.2015, der ebenfalls zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens wurde, minderte er den Gewinn des Klägers um den Gewinn, den der Kläger aus dem Verkauf von Faktorpräparaten erzielte, die den Patienten direkt ambulant verabreicht wurden. Hinsichtlich des zwischen den Beteiligten unstreitigen Gewinns in Höhe von … EUR aus dem Verkauf von Faktorpräparaten, die an die Patienten zur Heimselbstbehandlung veräußert wurden, wies er den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 6.3.2015, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:
Aus dem AOAE zu § 67 AO ergebe sich, dass Einnahmen und Ausgaben, die im Zusammenhang mit der Abgabe von Medikamenten an ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses stehen, nur dann dem Zweckbetrieb nach § 67 AO zuzuordnen seien, wenn die an ambulant behandelte Patienten erbrachten Leistungen sich aus dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses ergeben und die betreffenden Präparate für eine unmittelbare Verabreichung im Krankenhaus vorgesehen seien. Der Streitfall sei nicht mit dem vom BFH durch Urteil vom 31.7.2013 – I R 82/12 entschiedenen Fall vergleichbar, da dort die Zytostatika den Patienten unmittelbar in der Ambulanz verabreicht wurden.
Mit der Klage trägt der Kläger vor:
Die Abgabe der Faktorpräparate zur Heimselbstbehandlung erfordere mehr ärztliche Expertise als die ambulante Abgabe von Zytostatika. Zytostatika seien weitgehend standardisierte Präparate. Demgegenüber seien Blutgerinnungsfaktoren bei weitem komplexer. Der einzige Grund, warum die Abgabe von Zytostatika ambulant, jene von Blutgerinnungsfaktoren aber in Heimselbstbehandlung erfolgten, sei in der Technik der Verabreichung zu...