Leitsatz
Die Abgabe von Medikamenten zur Blutgerinnung (sog. Faktorpräparate) an Hämophiliepatienten ist auch dann dem Zweckbetrieb Krankenhaus (§ 67 AO) zuzuordnen, wenn sich der Patient selbst das Medikament im Rahmen einer ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung verabreicht.
Normenkette
§ 14, § 52 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, § 67 AO, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002, § 116b SGB V, Art. 108 Abs. 3 AEUV
Sachverhalt
Der Kläger betreibt als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ein Universitätsklinikum. Er verfolgt nach einer Verordnung über die Errichtung von Universitätskliniken als Anstalt des öffentlichen Rechts ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S.d. Abgabenordnung und nimmt Aufgaben in der Krankenversorgung einschließlich der Hochleistungsmedizin und im öffentlichen Gesundheitswesen wahr.
Im Rahmen von ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlungen gab der Kläger im Streitjahr 2007 Blutgerinnungsfaktoren an eigene Patienten ab. Hierzu kamen die Patienten zwischen zwei- und sechsmal jährlich sowie zusätzlich bei aufgetretenen Blutungen in das Behandlungszentrum des Klägers. Dabei wurden die Gerinnungsfaktoren unmittelbar von den behandelnden Ärzten an die Patienten abgegeben. Der jeweilige Arzt hatte die Abgabe für Zwecke der ärztlichen Behandlung der von der Anwendung betroffenen Personen und für Zwecke der Risikoerfassung nach dem Arzneimittelgesetz zu dokumentieren. Im weiteren Verlauf der Behandlung dokumentierte der Patient die Einnahme der Präparate selbst. Diese Dokumentation wurde von dem behandelnden Arzt lediglich überwacht und geprüft. Der Kläger ging davon aus, dass die Gewinne aus der Veräußerung von Faktorpräparaten zu seinem Zweckbetrieb gehörten. Das FA verneinte die Zuordnung zum Zweckbetrieb. Die Klage zum FG hatte Erfolg (FG Köln, Urteil vom 17.3.2016, 10 K 775/15, Haufe-Index 9395739).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Das FG habe zu Recht entschieden, dass der Kläger auch insoweit von der Körperschaftsteuer befreit ist, als er Faktorpräparate an Hämophile im Rahmen der ärztlich kontrollierten Heimselbstbehandlung abgegeben habe. Der Zusammenhang zwischen ambulanter Behandlung und Zweckbetrieb habe fortbestanden. Der Kläger sei auch innerhalb seines Versorgungsauftrags tätig geworden. Es habe auch eine Kostentragung durch den Sozialversicherungsträger vorgelegen.
Hinweis
1. Für die Zurechnung von Tätigkeiten zum Zweckbetrieb Krankenhaus i.S.v. § 67 AO stellt der BFH darauf ab, ob Einnahmen und Ausgaben mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an Patienten als Benutzer eines Krankenhauses zusammenhängen. Der BFH vermutet dabei eine typischerweise gegenüber den Patienten erbrachte Leistung, wenn ein Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages Leistungen erbringt und ein Sozialversicherungsträger für die bei ihm Versicherten die Kosten übernimmt. Der BFH hat danach bereits eine ambulante Zytostatika-Behandlung im Krankenhaus als zweckbetriebszugehörig angesehen (BFH, Urteil vom 31.7.2013, I R 82/12, BFH/NV 2014, 203, BFH/PR 2014, 85, BFHE 243, 180, BStBl II 2015, 123).
2. Der BFH erweitert dies jetzt auf Zytostatika-Behandlungen, bei denen sich der Patient die Präparate selbst zu Hause verabreicht. Danach besteht der Zusammenhang zwischen ambulanter Behandlung und Zweckbetrieb bei einer Heimselbstbehandlung fort, wenn der Patient selbst einen Teil der Behandlung (Verabreichung der Präparate) im Kontext einer fortbestehenden Krankenhausbehandlung zu Hause ausführt. Dabei reicht es aus, dass die Präparate dem Patienten im Krankenhaus übergeben werden und sich die Heimselbstbehandlung unter ständiger ärztlicher Kontrolle und Beratung vollzieht, da die Faktorpräparate insbesondere an die individuellen Bedürfnisse des jeweiligen Patienten angepasst werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 18.10.2017 – V R 46/16