Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO
Leitsatz (redaktionell)
Die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 4 AO tritt auch ein, wenn das FA ohne eine formelle Entscheidung aufgrund eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung den Prüfungsbeginn verschiebt.
Normenkette
AO § 197 Abs. 2, § 171 Abs. 4
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Erlass der Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 sowie des Gewerbesteuermessbescheids für 1998 im Anschluss an eine Außenprüfung wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist rechtswidrig war.
Der Kläger ist Volks- und Betriebswirt und war bis einschließlich 1987 als leitender Angestellter tätig, zuletzt als Finanzvorstand eines Versicherungskonzerns. Er leitete unter anderem das Ressort „Finanzen und Kapitalanlagen”. Seit 1988 betreibt er ein kaufmännisches gewerbliches Unternehmen. Gegenstand des Gewerbebetriebs ist die Vermögensanlage für eigene und fremde Rechnung, insbesondere der Handel mit Finanzderivaten (Börsentermingeschäfte bzw. Finanztermingeschäfte seit Neufassung des BörsG und Änderung des Wertpapierhandelsgesetz – WpHG – durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz vom 21. Juli 2002, BGBl I 2002, 2010). Außerdem betreibt der Kläger im Rahmen seines Unternehmens die Beratung in Finanz- und Vermögensangelegenheiten im weitesten Sinne.
Vor allem die hoch spekulativen Börsentermingeschäfte für eigene Rechnung führten in der Vergangenheit laufend zu hohen Verlusten, die der Kläger steuerlich geltend machte. Eine im März 1991 für die Jahre 1988 und 1989 durchgeführte Betriebsprüfung führte nicht zur Änderung der Besteuerungsgrundlagen. Im Zuge der Prüfung wurde die Zuordnung der Börsentermingeschäfte für eigene und für fremde Rechnung zum betrieblichen/gewerblichen Bereich vom Beklagten nicht in Frage gestellt, allerdings ergingen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993 vorläufig hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte, weil der Beklagte Zweifel an der Gewinnerzielungsabsicht des Klägers hatte. Auch in der Folgezeit ergaben sich Gewinne nur im Bereich der Vermögensanlage für fremde Rechnung und aus der Beratungstätigkeit.
Im Anschluss an eine Mitte 1998 in den Geschäftsräumen des Klägers durchgeführte Außenprüfung betreffend die Jahre 1993 bis 1996 ließ der Prüfer seine Zweifel hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht des Klägers fallen, vertrat jedoch die Ansicht, die Eigengeschäfte seien dem privaten Bereich zuzuordnen und als „Spiel und Wette” steuerlich irrelevant; eine Zuordnung zum betrieblichen Bereich sei daher nicht möglich. Im anschließenden Klageverfahren 10 K 3473/99 gegen die Änderungsbescheide für die Jahre 1994 bis 1996 folgte das FG Köln mit rechtskräftigem Urteil vom 4. Dezember 2003 im Wesentlichen den Anträgen des Klägers, weil es nicht Aufgabe der Finanzverwaltung sei, im Rahmen der steuerrechtlichen Beurteilung die Qualität unternehmerischer Entscheidungen abzuschätzen und unrichtige Entscheidungen als privat veranlasst einzuordnen.
Auch die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1997 bis 1999 hatte der Beklagte vorläufig hinsichtlich der gewerblichen Einkünfte erlassen, und zwar mit dem Vermerk: „Der Bescheid ergeht vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, da wegen einer endgültigen steuerlichen Beurteilung das Klageverfahren abgewartet wird”. Die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1997 und 1998 sowie die Gewerbesteuererklärung von 1998 sind im Jahr 1999 beim Beklagten eingegangen. Mit Schreiben vom 14. November 2003 bat der Beklagte das Finanzgericht um Überlassung der Steuerakten, da wegen drohender Festsetzungsverjährung für 1997 noch in diesem Jahr mit der Betriebsprüfung begonnen werden müsse. Das Finanzgericht lehnte die Herausgabe der Akten mit Schreiben vom 21. November 2003 unter Hinweis auf den unmittelbar bevorstehenden Termin zur mündlichen Verhandlung im Verfahren 10 K 3473/99 für die Streitjahre 1994 bis 1996 ab. Ebenfalls am 21. November 2003 erließ der Beklagte auf der Grundlage von § 193 Abs. 1 AO 1977 für den Betrieb des Klägers, der als Kleinstbetrieb eingestuft war, eine Betriebsprüfung für die Jahre 1997 bis 1999. Der für den 10. Dezember 2003 beabsichtigte Beginn der Außenprüfung wurde dem Kläger noch am 21. November 2003 telefonisch mitgeteilt (Mailbox; Prüferhandakte Bl. 48).
Der Kläger legte Einspruch gegen die Prüfungsanordnung ein und beantragte gleichzeitig deren Aussetzung der Vollziehung beim Beklagten. Er machte geltend, dass die Prüfungsanordnung erst am 24. November 2003 und deshalb nicht „angemessene Zeit vor Prüfungsbeginn” bekannt gegeben sei, wenn nicht einmal der Ablauf der Einspruchsfrist abgewartet werde. Der Beklagte wies den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 5. Dezember 2003 zurück. Auch der Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung wurde mit Verfügung vom 5. Dezember 2003 mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung abgelehnt.
Nachdem der Kläger mitgeteilt hat...