Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf des Bekanntgabewillens durch bloße verwaltungsinterne Dokumentation, um einen Vorbehalt der Nachprüfung zu ergänzen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Wegfall eines zunächst vorhanden gewesenen Bekanntgabewillens, durch den ein zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt keine Wirksamkeit erlangt, setzt die ausdrückliche Aufhebung der Verfügung des Verwaltungsakts und die Dokumentation der Willensänderung voraus. Bei einer „verwaltungsinternen” Aufgabe des Bekanntgabewillens sind der ursprünglich gebildete Bekanntgabewillen der zuständigen Person sowie die Person, die den Bekanntgabewillen klar und eindeutig aufgibt, zu dokumentieren.
2. Die Finanzbehörde hat dem Steuerpflichtigen den Wegfall des Bekanntgabewillens zeitnah und inhaltlich eindeutig mitzuteilen. Hierfür genügt – angesichts der Vielzahl möglicher Kommunikationsformen wie Telefon, Telefax oder Versendung eines elektronischen Dokuments – eine massiv verspätete förmliche Zustellung an eine Postfachadresse (hier: Zustellung eines auf den 01.12.2014 datierten Schreibens erst am 15.12.2014) nicht.
3. Es ist erheblich zweifelhaft, ob die Aufgabe eines Bekanntgabewillens auch dann möglich ist, wenn die Finanzbehörde keine (fehlerhafte) Festsetzung verhindern, sondern eine unselbständige Nebenbestimmung (hier: Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO) aufgrund vorheriger Versäumnisse im Veranlagungsverfahren hinzufügen möchte.
Normenkette
AO §§ 164, 122 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Gewinn für eine sog. „passive Entstrickung” einer spanischen Immobilienkapitalgesellschaft durch Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens aus verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Gründen dem Grunde nach berücksichtigt werden kann.
Der Kläger wird alleine zur Einkommensteuer veranlagt.
Die … des Klägers (…) erwarben – zusammenfassend dargestellt – im Jahre … eine in Spanien () belegene Immobilie. Im Jahre … brachten sie die Immobilie in die A, eine Kapitalgesellschaft nach spanischem Recht (nachfolgend „Gesellschaft”), ein. Der … des Klägers hielt % und die … des Klägers hielt % der Anteile an der Gesellschaft. Im Jahre … erfolgten Übertragungen an den Kläger (i.H.v. 24 % am Stammkapital) sowie dessen … (ebenfalls 24 % am Stammkapital; die übrigen Anteile verblieben bei den …) von Geschäftsanteilen an der A gegen Nießbrauchsvorbehalt zugunsten der …. Die Immobilie selbst wurde und wird von zu genutzt. Wegen der weiteren zwischen den Beteiligten unstreitigen tatsächlichen und zivilrechtlichen Abläufe wird auf die Darstellung in der Einspruchsentscheidung sowie der Klagebegründung verwiesen.
Im September 2014 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung 2013 beim seinerzeit zuständigen Finanzamt B ein. Einkünfte aus der Beteiligung, insbesondere laufende Einkünfte oder einen Gewinn nach § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) und § 6 Außensteuergesetz (AStG), erklärte der Kläger nicht.
Mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 informierten der Kläger, sein (…) und die (…) die jeweils zuständigen Finanzämter (…: Finanzamt C: … Finanzamt D; Kläger: Finanzamt B – dokumentierter Eingang des Schreibens gem. Eingangsstempel am 27. Oktober 2014) über den Sachverhalt (siehe Schreiben in Anlage 3 der Klagebegründung, Blatt – Bl. – 163 ff. der elektronischen Fassung der Gerichtsakte – eGA).
Am 21. November 2014 (Datum/Namenszeichen des Veranlagungsbearbeiters zu den Einkommensteuerdaten) wurde die Veranlagung 2013 abschließend gezeichnet und der Bescheid zum maschinellen Versand durch das Rechenzentrum der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen (RZF NRW) freigegeben. In dem Bescheid erfolgte weder eine Versteuerung eines errechneten/geschätzten sog. „Entstrickungsgewinns”, noch war der Bescheid mit einem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) oder einer Vorläufigkeit versehen. Der Bescheid oder die Erläuterungen zum Bescheid enthalten keine Angaben zum Sachverhalt der spanischen Gesellschaft – weder in Bezug auf eine laufende Besteuerung von Einkünften aus der Gesellschaft noch auf eine Besteuerung nach § 17 EStG, § 6 AStG. Schreiben der Finanzbehörde an den Kläger im Veranlagungsverfahren (z. B. Erörterungsschreiben / Rückfragen zum Sachverhalt / Andeutung einer rechtlichen Relevanz nach § 6 AStG) erfolgten nicht.
Am 26. November 2014 erfolgte ausweislich eines Schreibens der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen (OFD NRW) eine telefonische Koordinierung zwischen der OFD NRW (Frau E) und dem Finanzamt C (Veranlagungsfinanzamt der …; Veranlagungsbearbeiter Herr F) zu dem Fall. Man sah es als möglich an, dass durch eine Revision des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Spanien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 3. Februar 2011 (nachfolgend „DBA Spanien”) in Art. 13 Abs. 2 des DBA nunmehr ab Inkrafttreten jener Re...