Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Schwester des Erblassers als Person innerhalb des Generationenverbundes?
Leitsatz (redaktionell)
Erhält die Schwester des Erblassers statt ihres gesetzlichen Erbteils lediglich Versorgungsleistungen aus dem ihr an sich zustehenden Vermögen, sind die Versorgungsleistungen beim Übernehmer des gesamten Vermögens eine als Sonderausgaben abzugsfähige dauernde Last.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1, 1 Nr. 1a, § 12 Nrn. 1-2
Nachgehend
Tatbestand
Die Kläger wurden in den Streitjahren 1992 – 1994 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch anteilige Einkünfte aus Gewerbebetrieb und Kapitalvermögen. Er ist – zusammen mit seinem Bruder – Erbe nach seiner verstorbenen Tante, Frau G. Zum Nachlaß gehörte insbesondere auch ein Gewerbebetrieb. Im Testament heißt es u.a.
„…
2.
Zu meinen Erben setze ich je zur Hälfte ein meine Neffen,
a. …
b. D
geboren am … 19..
wohnhaft…
Ersatzweise sollen deren leiblichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen Erben werden.
3. Mein Ehemann W … soll als Vermächtnis meinen Schmuck erhalten und die Einrichtungs- und Kunstgegenstände … erhalten. Mein Ehemann hat schon zu meinen Lebzeiten unter anderem Anteile an der …, …, von mir geschenkt bekommen, die auf seinen Erb- und Pflichtteilsanspruch angerechnet werden sollten…
5. …Mein Neffe D … soll möglichst ausgezahlt werden, sobald die wirtschaftliche Situation nach Ansicht des Testamentsvollstreckers günstig ist … Die gestundeten Teile des Auszahlungsanspruchs sollen in Höhe der Nettorendite meines Nachlasses unter Berücksichtigung von Steuern, Kosten und Abschreibungen verzinst werden.
6. Meine Schwester H geborene …,
geb. am … 19..,
wohnhaft…
soll bis zu ihrem Tode einen 33 1/3% Nießbrauch an den Nettoerträgnissen meines Nachlasses erhalten … Von dem Zinsanspruch meines Neffen D für den gestundeten Auszahlungsanspruch soll sie 33 1/3% erhalten…”
Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihres Todes von ihrem Ehemann geschieden.
In den Streitjahren war der Nachlaß unter den Brüdern noch nicht aufgeteilt worden. Es wurden anteilige Einkünfte aus Gewerbebetrieb gegenüber dem Kläger festgestellt.
Entsprechend den testamentarischen Bestimmungen zahlte der Kläger aus seinen gewerblichen Einkünften im Jahre 1992 DM 21.000,– im Jahre 1993 DM 8.500,– und im Jahre 1994 DM 67.714 an seine Mutter, die im Testament bedachte Schwester der Erblasserin. Diese Beträge machte er als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG geltend. Der Beklagte versagte ihm mit Einkommensteuerbescheiden vom 20., 29.03. und 27.08.1996 sowie mit der Einspruchsentscheidung vom 17.10.1996 die Anerkennung: Eine Vermächtnisrente, um die es sich vorliegend handele, sei als dauernde Last nur anzuerkennen wenn sie an Ehegatten oder erbberechtigteAbkömmlinge gezahlt werde. Dies ergebe sich insbesondere aus dem BFH-Urteil vom 27.02.1972 X R 139/88, BStBl II 1992, 612. Die Schwester der Erblasserin falle nicht in diesen engen Kreis.
Hiergegen haben die Kläger am 18.11.1996 Klage erhoben. Sie machen geltend: Da die Schwester der Erblasserin zum Todeszeitpunkt gesetzlich erbberechtigt ja sogar die einzige gesetzliche Erbin gewesen sei, stünde sie so eng im Generationenverbund, daß die Grundsätze der Rechtsprechung auch auf eine Vermächtnisrente zu ihren Gunsten anzuwenden sei. Der Unterschied zu dem vom Beklagten zitierten BFH-Urteil bestehe gerade darin, daß dort die Rentenbegünstigenicht gesetzliche Erbin gewesen sei.
Der Beklagte hat die angefochtenen Bescheide mit Bescheiden vom 17.11. und 16.12.1998 in vorliegend nicht streitigen Punkten geändert. Die Kläger haben die Änderungsbescheide gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens erklärt.
Sie beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 1992, 1993 und 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.10.1996 und in Gestalt der Änderungsbescheide vom 17.11. und 16.12.1998 zu ändern, indem im Jahre 1992 Sonderausgaben in Höhe von DM 21.000, im Jahre 1993 Sonderausgaben in Höhe von DM 8.500 und im Jahre 1994 Sonderausgaben in Höhe von DM 76.714 bei der Festsetzung der Einkommensteuer berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt und vertieft die Gründe seiner Einspruchsentscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung der von ihm an seine Mutter gezahlten Beträge als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG (dauernde Last).
Der Begriff der – in voller Höhe abziehbaren – dauernden Last wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Die Rechtsprechung des BFH, insbesondere die des Großen Senats,
siehe Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 05.07.1990 GrS 4-6/89, BStBl II 1990, 847, und vom 15.07.1991 GrS 1/90, BStBl II 1992, 78, siehe auch die BFH-Urteile vom 27.02.1992 X R 139/88, BStBl II 1992, 612 und vom 16.12.1993 X R 67/92, BStBl II 1992, 669,
hat hierzu folgendes entwickelt: Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden ...