Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgemäße Bekanntgabe an Bevollmächtigten aufgrund konkludenten Handelns bzw. Duldungsvollmacht
Leitsatz (redaktionell)
1) Beauftragt der Stpfl. einen Steuerberater mit der Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte, bevollmächtigt dieser Auftrag ihn grundsätzlich auch zum Empfang daraufhin ergehender Steuerfestsetzungen.
2) Hatte der Stpfl. keinen diesbezüglichen Willen zur Bevollmächtigung, ergibt sich eine Bevollmächtigung aus den Grundsätzen der "Duldungsvollmacht".
Normenkette
AO §§ 90, 80
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Feststellungsantrags über die Unwirksamkeit des Bescheides betreffend Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für 2004 (im Folgenden Einkommensteuerbescheid 2004) mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe.
Die Bevollmächtigten der Kläger wurden zunächst mit der Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte für die Jahre 2008 – 2011 (strafrechtlich noch nicht verjährter Zeitraum) beauftragt. Hierzu legten sie zwei Vollmachten vor, die neben der Vertretungsvollmacht eine Empfangsvollmacht beinhalten. Die Vollmachten sind auf „Nacherklärung von Einkünften 2008 bis 2011 sowie Einkommensteuer 2012” ausgestellt. Nachfolgend forderte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung R die Bevollmächtigten der Kläger auch zur Nacherklärung der Kapitaleinkünfte für die noch nicht festsetzungsverjährten Jahre 2004 – 2007 auf. Mit Schreiben vom 23.09.2015 reichten die Bevollmächtigten der Kläger die Anlagen KAP für die Jahre 2004 – 2011 sowie Bankunterlagen auch für die Jahre 2004 – 2007 ein. In dem Schreiben wiesen die Bevollmächtigten darauf hin, dass es sich bei den Anlagen lediglich um ergänzende Anlagen zu den seinerzeit abgegebenen Steuererklärungen handele, sie die Anlagen sorgfältig erstellt hätten und für Rückfragen zur Verfügung stünden. Auf dem Grunddatenblatt, das der o.g. Vollmacht in der Einkommensteuerakte vorgeheftet ist, ist eine Haftnotiz mit einem von der Sachbearbeiterin des Beklagten, Frau A, paraphierten Vermerk geheftet; er lautet: „Vollmacht gilt auch für die Vorjahre 2004 – 2007 lt. Telefonat vom 11.12.2005”. Hinsichtlich der Vollmachten und des Grunddatenblatts wird auf den Vorhefter der Einkommensteuerakte verwiesen und Bezug genommen.
Die ursprüngliche Einkommensteuererklärung 2004 hatten die Kläger am 13.04.2005 beim Beklagten eingereicht. Der – aufgrund der Nacherklärung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderte – Einkommensteuerbescheid 2004 vom 18.12.2015 wurde den Bevollmächtigten unstreitig laut Zustellungsurkunde am 21.12.2015 zugestellt. Der Bescheid trägt bei den Bevollmächtigten den Eingangsstempel vom 04.01.2016. Die Weiterleitung des Bescheides an die Mandanten erfolgte in 2016.
Am 18.01.2016 legten die Kläger, vertreten durch ihre Bevollmächtigten, gegen den Bescheid Einspruch ein. Diesen wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10.03.2016 als unbegründet zurück, da der Einspruch trotz Aufforderung nicht begründet wurde.
Parallel hierzu beantragten die Kläger mit Schreiben vom 08.03.2016 die Feststellung der Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheids 2004, da dieser nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden sei. Der Auftrag zur Nacherklärung ausländischer Kapitaleinkünfte sowie die Bevollmächtigung der jetzigen Prozessbevollmächtigten habe sich nur auf die Jahre 2008 – 2011 bezogen. Für 2004 habe keine Bevollmächtigung bestanden und damit auch keine Bevollmächtigung zum Empfang eines Steuerbescheides. Den Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 11.03.2016 ab, da die Bevollmächtigten gegenüber der Sachbearbeiterin A telefonisch bestätigt hätten, dass die übersandte Vollmacht auch für die Jahre 2004 – 2007 gelte.
Mit der am 12.04.2016 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Nichtigkeitsfeststellungsbegehren fort. Die Vollmacht sei ausdrücklich nur für die Jahre 2008 – 2012 erteilt worden. Ein Telefonat mit der Sachbearbeiterin A sei dem Bevollmächtigten B nicht erinnerlich und werde bestritten. Auch handele es sich bei einer Vollmacht um eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Vertretenen gegenüber dem Bevollmächtigten oder einem Dritten. Der Bevollmächtigte seinerseits könne sich schlechterdings selbst bevollmächtigen. Weiterhin führen die Bevollmächtigten aus, dass Einzelheiten ihrer Beauftragung durch die Kläger zur Ermittlung und Übersendung der weiteren Einkünfte für Veranlagungszeiträume vor 2008 nicht mehr rekonstruiert werden könnten. Die Kläger hätten sie jedenfalls nicht zum Empfang eines Einkommensteuerbescheides 2004 bevollmächtigt. Eine entsprechende Erklärung sei weder ihnen gegenüber noch gegenüber dem beklagten Finanzamt von den Klägern erfolgt. Insoweit werde die Bevollmächtigung bestritten und der Beklagte trage die Feststellungs- und Beweislast. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass eine Vollmacht unabhängig von dem dieser Vollmacht zu Grunde liegenden Grundgeschäft sei. Demgemäß sei die Erteilu...