Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung bei mittelbarem Erwerb verbliebener Restanteile im Wege der Erbauseinandersetzung
Leitsatz (redaktionell)
Erwirbt ein zu 10% an einer grundbesitzenden Gesellschaft Beteiligter die restlichen 90% mittelbar im Wege der Erbauseinandersetzung mit seinen Geschwistern, ist der Erwerb der 90%-igen Beteiligung zwar nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbar, aber gem. § 3 Nr. 2 und 3 GrEStG steuerbefreit. Dagegen besteht für die 10%-ige Beteiligung keine Steuerbefreiung nach §§ 5 und 6 GrEStG.
Normenkette
GrEStG § 3 Nrn. 2-3, § 6 Abs. 2, § 1 Abs. 3 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob bzw. in welchem Umfang die durch einen Erbfall erfolgte Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterliegt.
Die Firma A GmbH (im Folgenden GmbH) ist Eigentümerin der hier streitigen Grundstücke B-Straße … und C-Straße … in D, bei denen es sich um die Betriebsgrundstücke der GmbH handelt. An der GmbH ist der Kläger mit 10 % beteiligt. Die verbleibenden 90 % der Geschäftsanteile hält die Firma M A GmbH & Co. KG (im Folgenden A KG). Zwischen der GmbH und der A KG war am 15.12.1989 ein Unternehmensvertrag in Form eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags abgeschlossen worden, der am 11.01.1990 ins Handelsregister eingetragen wurde. Danach ist die A KG das beherrschende Unternehmen und die A GmbH das beherrschte Unternehmen. Komplementärin der A KG ist die A Beteiligungs-Gesellschaft mbH, die am Vermögen der A KG nicht beteiligt ist. An der A KG und der A Beteiligungs-Gesellschaft mbH waren die Eltern des Klägers bis zum 07.04.1999 jeweils zu 50 % beteiligt. Nachdem der Vater des Klägers am 07.04.1999 verstorben war, ging dessen 50 %-iger Kommanditanteil zu diesem Zeitpunkt auf den Kläger im Wege der Rechtsnachfolge über, so dass der Kläger und seine Mutter zu jeweils 50 % beteiligt waren. Die Mutter des Klägers verstarb am 11.12.2000. Miterben wurden zunächst zu gleichen Teilen der Kläger und seine Schwester E. Der Kläger schloss mit seiner Schwester am 08.06.2001 vor dem Notar F, UR.-Nr. 1, einen Erbauseinandersetzungsvertrag. Auf Grund des Vertrages erhielt der Kläger u.a. im Rahmen der Erbauseinandersetzung sämtliche Kommanditanteile der verstorbenen Mutter an der A KG und sämtliche Geschäftsanteile an der A Beteiligungs-Gesellschaft mbH. Der Kläger ist seit diesem Zeitpunkt alleiniger Kommanditist der A KG und alleiniger Gesellschafter der A Beteiligungs-Gesellschaft mbH.
Nach einer Prüfungsmitteilung des Finanzamtes für Groß – und Konzernbetriebsprüfung setzte der Beklagte aufgrund der Erbauseinandersetzung mit Bescheid vom 27.06.2007 gegenüber dem Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 83.158,00 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei ging der Beklagte zunächst vom 3,5-fachen des Einheitswertes der streitigen Grundstücke, 2.375.947,00 EUR, aus. Die endgültige Festsetzung sollte laut Bescheid nach der Bedarfswertung erfolgen. Der Bescheid benennt als Rechtsvorgang einen Kaufvertrag über einen 1/1-Anteil vom 08.06.2001 und die UR.-Nr. 1. In den Erläuterungen führte der Beklagte wie folgt aus: „Sie sind zu 10 % unmittelbar und zu 90 % mittelbar über die A GmbH & Co. KG an der grundstücksverwaltenden A GmbH beteiligt. Alle Anteile werden daher in ihrer Hand unmittelbar und mittelbar vereinigt. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ist die Grunderwerbsteuer nach dem Bedarfswert des Grundbesitzes zu bemessen. Sobald dieser vorliegt, wird die Grunderwerbsteuer endgültig festgesetzt.”
Der gegen die Grunderwerbsteuerfestsetzung eingelegte Einspruch wurde mit Entscheidung vom 21.10.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Diesbezüglich führte der Beklagte wie folgt aus: Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG fingierten grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge und trügen damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der alle Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinige oder erwerbe, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit am Gesellschaftsgrundstück zuwachse. § 1 Abs. 3 GrEStG behandele den Inhaber aller Anteile so, als gehörten ihm die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücke fiktiv. Gegenstand der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG sei nicht der Erwerb der Anteile als solcher, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke. Aus der Fiktion folge, dass ein Grundstück nicht nur dann zum Vermögen einer Gesellschaft gehöre, wenn es im Eigentum der Gesellschaft stehe. Maßgeblich sei vielmehr eine grunderwerbsteuerliche Zuordnung. Aus der Fiktion folge weiter, dass eine Vereinigung aller Anteile auch dann vorliege, wenn der Anteilserwerber die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz teils selbst (unmittelbar) und teils mittelbar über eine andere Gesellschaft halte, an der er zumindest zu 95 % beteil...