Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuschläge ohne tatsächlich geleistete Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit (§ 8 MuSchG)
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Steuerfreiheit nach § 3b EStG setzt voraus, dass tatsächlich Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet wird.
2) Eine Steuerfreiheit von Zuschlägen ist auch dann nicht gegeben, wenn eine tatsächliche Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit nicht geleistet wird, weil § 8 Abs. 1 MuSchG dem entgegensteht.
Normenkette
MuSchG § 8 Abs. 1; EStG § 3b
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Steuerfreiheit von gezahlten Schichtzulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit der Klägerin nach § 3b des Einkommensteuergesetzes – EStG.
Die Klägerin ist von Beruf Flugbegleiterin bei der M-AG und erzielt aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In ihren Bruttobezügen ist ausweislich der Lohnabrechnung der Arbeitgeberin eine Schichtzulage in Höhe von 16,3 % des Grundgehaltes zzgl. der Purserzulage enthalten, womit nach einer Vereinbarung mehrerer Fluggesellschaften mit den obersten Finanzbehörden der Länder pauschal die geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit abgegolten ist. Die Zulage beläuft sich für die Monate Januar bis August des Streitjahrs auf 244,42 EUR monatlich und ab September auf 254,15 EUR monatlich (4 × 254,15 EUR = 1.016,60 EUR).
Die Klägerin war nach Mitteilung ihrer Schwangerschaft seit dem 30.08.2006 beim Bodenpersonal der Arbeitgeberin eingesetzt, da gemäß § 8 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes – MuSchG – Sonntags-, Feiertags-, Nacht- und Mehrarbeit verboten sind. Auf die Zahlung der Schichtzulage hatte die Versetzung aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen und § 11 MuSchG keinen Einfluss. Jedoch erhob die Arbeitgeberin der Klägerin auf die gezahlte Schichtzulage von 254,15 EUR, im Gegensatz zu den Vormonaten (auf die Gehaltsabrechnungen April, Mai und Juni wird Bezug genommen, Bl. 30 ff. d.A.), seit September des Streitjahres in voller Höhe Lohnsteuer und führte diese an das zuständige Finanzamt ab.
Die Kläger wurden mit Einkommensteuerbescheid vom 08.06.2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, wobei der Beklagte die gezahlte Schichtzulage der lohnsteuerlichen Behandlung entsprechend ebenfalls im vollen Umfang der Einkommensbesteuerung unterwarf. Der hiergegen eingelegte Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg. Der Beklagte verwies in seiner Einspruchsentscheidung vom 17.10.2007 auf den Wortlaut des § 3b EStG, wonach nur Zuschläge für „tatsächlich geleistete” Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit beim Vorliegen weiterer Voraussetzungen steuerfrei seien. Mit der Versetzung der Klägerin zum Bodenpersonal seien entsprechende Schichtarbeiten nicht mehr in dem Ausmaß angefallen, wie bei der Tätigkeit als Bordpersonal, insbesondere durch den Wechsel von Zeitzonen. Aufzeichnungen über die tatsächlich geleistete Schichtarbeit wurden durch den Arbeitgeber für die Klägerin nicht geführt. Die Klägerin trage jedoch für die steuerliche Vergünstigung nach § 3b EStG die Beweislast. Der Grund für die Versetzung zum Bodenpersonal sei für die Entscheidung unerheblich, so dass keine finanzielle Benachteiligung von Frauen während der Zeit der Schwangerschaft durch die Besteuerung der Schichtzulage erfolge.
Die Kläger tragen zur Begründung der gegen die Einspruchsentscheidung des Beklagten erhobenen Klage vor, auf der Grundlage der Behandlung der Schichtzulage in den Vormonaten seien bei der Klägerin 83 % der Schichtzulage als steuerfrei anzusehen, dies entspreche 847,16 EUR. Die volle Besteuerung der Schichtzulage verstoße gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes – GG – und gegen Art. 6 Abs. 4 GG. Die Versetzung der Klägerin zum Bodenpersonal sei gezwungenermaßen aufgrund der Schwangerschaft erfolgt. Von einer Versetzung aus Gründen der Schwangerschaft könnten nur Frauen betroffen werden, so dass die biologische Mutterschaft zu einer Ungleichbehandlung gegenüber männlichen Kollegen führe, deren Schichtzulage steuerfrei bleibe. Die Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt, da das Kriterium des Geschlechts niemals einen Grund für die Ungleichbehandlung darstellen dürfe. Zwar knüpfe § 3b EStG nicht an das Kriterium des Geschlechts an, jedoch werde über das in § 8 MuSchG normierte Beschäftigungsverbot für Schwangere mittelbar die Anwendung des § 3b EStG für eine bestimmte Gruppe von Frauen außer Kraft gesetzt. Vielmehr sei der Staat verpflichtet, die Gleichbehandlung von Frauen und Männern zu fördern und nicht durch eine steuerliche Benachteiligung der schwangeren Frauen zu hindern. Diese finanzielle Gleichberechtigung von Frauen und Männern gehe über eine bloße finanzielle Absicherung von werdenden Müttern hinaus. Darüber hinaus verstoße die Besteuerung der Schichtzulage bei der Klägerin gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip, Art. 3 Abs. 1 GG, denn die Leistungsfähigkeit der Klägerin habe sich durch die Schwangerschaft nicht verändert, trotzdem werde sie geg...