Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Eigenheimzulage für eine gegen Pflege- und Unterhaltsleistungen und ein Nießbrauchsrecht übertragene Immobilie
Leitsatz (redaktionell)
Wird in einem Grundstücksübertragungsvertrag zwischen pflegebedürftiger Person und Erwerberin vereinbart, dass unterhalts- und Pflegeleistungen als Gegenleistung zu erbringen und lebenslänglich der Nießbrauch zu gewähren sind, führt dies nicht zu Anschaffungskosten des Immobilienerwerbs, sondern bei der Pflegeverpflichteten nur zu Sonderausgaben.
Normenkette
EigZulG § 2 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin ein Haus entgeltlich erworben hat und ihr damit Eigenheimzulage zusteht.
Mit notarieller Urkunde vom 15.12.2004 wurde der Klägerin von ihrer Mutter ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück übertragen. In Ziffer 2 der Urkunde ist unter anderem geregelt, dass die Übertragung als Gegenleistung für die seitens der Erwerberin gegenüber der Veräußerin seit dem Jahr 1995 erbrachten Pflege- und Unterhaltsleistungen erfolgt, im Übrigen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge ohne Pflicht zur Anrechnung auf ein etwaiges Erb- und Pflichtteilsrecht. In Ziffer 3 der Urkunde ist unter anderem geregelt, dass die Veräußerin sich an dem Grundbesitz den lebenslangen unentgeltlichen Nießbrauch vorbehält. In Ziffer 4 der Urkunde ist unter anderem geregelt, dass die Erwerberin sich verpflichtet, die Veräußerin in gesunden und kranken Tagen zu pflegen – und zwar soweit als möglich persönlich – oder pflegen zu lassen. Der Jahreswert der Pflegeverpflichtung wurde in der Urkunde mit „ca. 10.000 EUR” angegeben. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Urkunde Bezug genommen. Die Klägerin ist im Jahr 2005 in das Haus eingezogen.
Mit Bescheid vom 07.11.2008 wurde der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Eigenheimzulage ab dem Jahr 2004 nach einer Bemessungsgrundlage von 220.000 EUR abgelehnt.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin fristgerecht Einspruch ein. Sie machte im Wesentlichen geltend, sie habe Pflege- und Unterhaltsleistungen erbracht. Sie habe für die Mutter gekocht und den Haushalt bewirtschaftet, ihren Pkw für Arzt- und Krankenhausfahrten der Mutter eingesetzt, Kosten für Aufbaupräparate übernommen und Aufwendungen für Kleidung, Wäsche und Kosmetika getragen. Zeitweilig habe sie einen Pfleger eingestellt. Weiterhin habe sie monatlich 300 EUR auf das Konto ihrer Mutter überwiesen. Außerdem habe sie Investitionen am Haus getätigt sowie Grundbesitzabgaben und Versicherungen übernommen.
Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 23.04.2010). Der Beklagte führte im Wesentlichen an, die Pflegeleistungen seien unentgeltlich erfolgt. Es sei nicht ersichtlich, dass ein Anspruch gegen die Mutter auf Bezahlung bestanden habe. Die mit dem Übertragungsvertrag eingegangene Pflegeverpflichtung habe ebenso wenig zu einem entgeltlichen Erwerb geführt wie die Bestellung eines Nießbrauchrechts. Eine Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge führe ebenfalls nicht zu Anschaffungskosten. Nach dem Vertrag sei die Mutter als Nießbrauchsberechtigte verpflichtet gewesen, sämtliche Kosten für das Haus zu tragen. Soweit die Klägerin entsprechende Aufwendungen getragen habe, handele es sich um Zuwendungen, die steuerlich nicht zu berücksichtigen seien (§ 12 Einkommensteuergesetz – EStG –).
Die Klägerin hat am 19.05.2010 Klage erhoben. Sie macht im Wesentlichen geltend, wenn die im Haushalt der Mutter lebende einzige Tochter diese pflege und zwar nicht nur in der Erwartung, dass sie die gemeinsam benutzte Wohnung erbe, sondern dies auch von der Mutter geäußert worden sei, seien die Pflegeleistungen als entgeltlich einzustufen. Dies habe ihre Mutter auch testamentarisch verfügt. Die Mutter habe nur eine kleine Rente bezogen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts nicht ausgereicht habe. Hätte sie sich nicht um die Mutter gekümmert, hätte das Haus verkauft werden müssen. Insofern bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Bar- und Pflegeleistungen sowie der Übertragung des Hauses. Es habe Einigkeit bestanden, dass sie – die Klägerin – ihre Mutter bis zu deren Tod habe umsorgen und pflegen sollen. Daher habe die Mutter in ihrem Testament formuliert „Meine Tochter A wird mich bis zu meinem Tod umsorgen und pflegen”. Nachdem ihre Mutter das Testament geschrieben habe, habe sie sich von ihr bestätigen lassen, dass dies so in Ordnung sei. Damit sei die Pflegeverpflichtung vertraglich bestätigt worden. Im Übrigen spreche nach der Lebenserfahrung jemand, der in einem Testament formuliere „wird mich umsorgen und pflegen” keinen frommen Wunsch aus, sondern stütze sich auf Fakten. Dem Einwand, die notarielle Urkunde vom 15.12.2004 habe ihr – der Klägerin – keinen Vorteil gebracht, da sie das Haus ohnehin im Wege der Erbfolge erhalten hätte, sei entgegen zu halten, dass die Mutter das Testament jederzeit hätte widerrufen können...