Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösung von Nießbrauchsrechten an GmbH-Anteilen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Gegenleistung für den Verzicht auf einen Vorbehaltsnießbrauch an einer Kapitalbeteiligung ist keine Entschädigung für entgehende Einnahmen i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, denn Dividendeneinkünfte erzielt i.d.R. der Anteilseigner und nicht der Nießbraucher.
2. Wenn an einem GmbH-Anteil ein Nießbrauchsrecht bestellt ist, welches ihm lediglich den Gewinnanteil ohne wesentliche Verwaltungsrechte zuweist, dann sind die Kapitaleinnahmen weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen.
3. Die bloße Auskehrung von Dividendenansprüchen an den Nießbraucher stellt auch keine Gewinnbeteiligung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG dar, weil hiermit nur gesellschaftsrechtliche Beteiligungen gemeint sind.
4. Die Übertragung einer wesentlichen Beteiligung i.S.d. § 17 EStG im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt ist als unentgeltliche Vermögensübertragung keine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG.
5. Die Ablösung eines Nießbrauchsrechts oder der Verzicht auf ein solches Recht führt nicht zu steuerbaren Einkünften i.S.d. § 23 EStG.
6. Ein Verzicht auf ein Nutzungsrecht im Wege einer Vermögensumschichtung im Privatbereich ist schließlich nicht nach § 22 Nr. 3 EStG einkommensteuerbar.
Normenkette
BGB § 1068; AO § 39; EStG §§ 17, 20 Abs. 1, 5, § 22 Nrn. 2-3, §§ 23, 24 Nr. 1; BGB § 1030
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob die Zahlungen, die der Klägerin im Zusammenhang mit der Ablösung ihrer Nießbrauchsrechte an zwei Geschäftsanteilen zugeflossen sind, dem Grunde nach einkommensteuerbar sind.
Dem Rechtsstreit liegt folgender, zwischen den Beteiligten unstreitige Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin war bis zum Februar des Jahres 2012 mit einem Geschäftsanteil im Nennwert von … EUR und damit zu 49 % des Stammkapitals an der C GmbH (eingetragen im Handelsregister des AG D, HRB …) beteiligt. Den weiteren 51 %-igen Anteil hielt die E GmbH.
Mit Vertrag vom 00.00.2012 wurde der Geschäftsanteil der Klägerin zunächst geteilt und die beiden neu entstandenen Geschäftsanteile im Nennwert von jeweils … EUR sodann von der Klägerin an ihre beiden Töchter F und G, jeweils unter Vorbehalt eines lebenslangen und unentgeltlichen Nießbrauchsrechts, verschenkt.
Der Nießbrauch beschränkte sich nach Teil 1, Ziff. II des Vertrages vom 00.00.2012 auf die Ziehung der Nutzungen aus den Geschäftsanteilen, wozu insbesondere der anteilige Bilanzgewinn zählte. Nicht zu den Nutzungen gehörten ausweislich der vertraglichen Vereinbarungen hingegen die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte. Diese standen nach Teil 1, Ziff. II, 1.2 des Vertrages vom 00.00.2012 einzig den beiden neuen Gesellschafterinnen zu. Ferner wurde vereinbart, dass sich der Nießbrauch der Klägerin automatisch an Surrogaten der Beteiligung fortsetzt, wozu auch der Erlös aus einer Beteiligungsveräußerung zählt (Teil 1, Ziff. II, 1.4 des Vertrages vom 00.00.2012). In Teil 2 des Vertrages schlossen die Töchter der Klägerin eine Poolvereinbarung über die einheitliche Ausübung der Mitgliedschaftsrechte an der C GmbH. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Vertrages vom 00.00.2012 verwiesen (Bl. 34 f. der elektronischen Gerichtsakte).
Nach der Übertragung der Geschäftsanteile auf die Töchter versteuerte der Beklagte die (anteiligen) Gewinnausschüttungen der C GmbH in den Veranlagungszeiträumen 2012 bis 2018 unverändert und erklärungsgemäß bei der Klägerin als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die C GmbH wies insoweit in ihren Gewinnverwendungsbeschlüssen auf den Vorbehaltsnießbrauch der Klägerin hin. Den jeweiligen anteiligen Ausschüttungsbetrag zahlte sie an die Klägerin aus. Auf den im Zusammenhang mit der jeweiligen Kapitalertragsteuer-Anmeldung erstellten Steuerbescheinigungen wurde Frau H, die Klägerin, als Empfängerin der jeweiligen Netto-Auszahlung ausgewiesen.
Bei dieser steuerlichen Behandlung stützte sich die Klägerin auf ein Gutachten von Herrn Rechtsanwalt und Steuerberater I, wonach die Gewinnausschüttungen der Klägerin und nicht ihren Töchtern zuzurechnen seien und die Klägerin die Zahlungen im Rahmen ihrer Einkommensteuer zu versteuern habe.
Bei den Töchtern der Klägerin wurden die Gewinnausschüttungen als Einkünfte der Mutter betrachtet und daher – spiegelbildlich – in ihren Steuererklärungen und Steuerebescheiden nicht erfasst.
Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 00.00.2019 verkauften die Töchter der Klägerin ihre Geschäftsanteile an der C GmbH an die E GmbH. Da der Verkauf nach Ziff. 2.1 und 2.2 des Vertrages vom 00.00.2019 lastenfrei erfolgen sollte, gab die Klägerin in Ziff. 3, 6.3 des Vertrags ihre Nießbrauchsrechte an beiden verkauften Geschäftsanteilen gegen Zahlung des hier gegenständlichen Ablösebetrags von jeweils … EUR, insgesamt … EUR, gegenüber den Verkäuferinnen, ihren Töchtern, auf. Die Höhe des Ablösebetrags vereinbarten die Parteien auf der Grundlage ...