rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerpflicht der Lieferung von Marketingmaterial; Vorlage von Originalrechnung in Papierform bei elektronischer Rechnungstellung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Elektronische Rechnungen sind grds. für den Vorsteuerabzug anzuerkennen und stehen einer Rechnung in Papierform gleich, wenn die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der elektronischen Rechnung gewährleistet werden können und der Empfänger der elektronischen Rechnungserstellung zugestimmt hat.

2. Der Umsatzsteuerausweis bei den Lieferungen der Marketingunterlagen an Vermittler in anderen EU-Mitgliedstaaten ist berechtigterweise erfolgt. Hierbei handelt es sich nicht um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung iSv § 6a UStG, sondern um im Inland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze.

 

Normenkette

UStG § 14 Abs. 1 S. 1, §§ 6a, 15 Abs. 1, § 18 Abs. 9

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Berechtigung der Klägerin, eine Vorsteuervergütung zu erhalten, und hierbei konkret darum, ob die Lieferung von Marketingmaterial im Auftrag der Klägerin von Deutschland aus direkt an Unternehmen ins Ausland in Deutschland umsatzsteuerpflichtig ist, sowie darum, inwieweit die Vorlage von Originalrechnungen in Papier bei (auch) elektronisch erstellten Rechnungen erforderlich ist.

Die Klägerin ist eine in der Schweiz ansässige Kapitalgesellschaft, die als … und Teil des Konzernverbundes „W” (W) insbesondere im Bereich der … tätig ist. Am 25. Juni 2015 (Eingang beim Beklagten) stellte sie einen Antrag auf Vorsteuervergütung im besonderen Verfahren gemä?§ 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in Höhe von 294.028,34 EUR für den Zeitraum Januar bis Dezember 2014. Gegenstand dieses Vergütungsantrags sind Rechnungen der in Deutschland ansässigen Q GmbH & Co. KG (Q KG). Hintergrund der Rechnungsstellung ist, dass die Klägerin von der Rechnungsausstellerin Marketingmaterialien bezogen und diese anderen Gesellschaften (sog. promotion companies, PromCo's) des Konzernverbundes W zur Vermarktung von … in Deutschland sowie anderen EU-Mitgliedstaaten überlassen hatte.

Dem streitgegenständlichen Vergütungsantrag liegen drei Arten von Lieferungen zu Grunde. Mit den Rechnungen zu den Antragspositionen 1-3, 5-10, 12-21, 23-26, 28-30, 32, 34-38, 40-62, 65-70, 72, 74-77, 79, 81-86 wurden Lieferungen von Marketingmaterialien der Q KG direkt an die PromCo's in den EU-Mitgliedstaaten unter Ausweis von 19 % Umsatzsteuer abgerechnet. Mit den Rechnungen zu den Antragspositionen 4, 22, 27, 31, 33, 39, 71, 73, 78, 80 wurden Lieferungen der Q KG an PromCo's in Deutschland abgerechnet. Schließlich wurde mit der Rechnung zur Antragsposition 11 eine Lieferung an die Klägerin direkt in die Schweiz abgerechnet. Bei der Antragsposition 63 handelt es sich um eine irrtümlich ausgestellte Rechnung, die mit der Stornorechnung zur Antragsposition 64 korrigiert wurde.

Die Marketingmaterialien wurden im Auftrag der Klägerin direkt an die als Vermittler für die Klägerin tätigen PromCo's geliefert, an diese jedoch nicht verkauft, sondern blieben im Eigentum der Klägerin, die sie lediglich zur Nutzung überließ. Die PromCo's verwendeten die Materialien zur Vermarktung der … und gaben diese unentgeltlich an einen interessierten Teilnehmerkreis weiter. Eine Rechnungsstellung bezüglich der Marketingmaterialien erfolgte ausschließlich zwischen der Q KG und der Klägerin. Hierbei wurden die Originalrechnungen entweder (1.) ausschließlich in Papier, (2.) ausschließlich elektronisch oder (3.) sowohl elektronisch als auch in Papier erstellt und an nach den Schilderungen der Klägerin an verschiedene Niederlassungen der Klägerin in der Schweiz versendet.

Die Klägerin fügte dem Vergütungsantrag zu allen Antragspositionen jeweils einen Rechnungsbeleg bei, und zwar entweder als Ausdruck der elektronischen Originalrechnung oder als Ausdruck der zuvor eingescannten Originalrechnung in Papierform.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29. März 2016 (Bl. 13 der vom Beklagten geführten Verwaltungsakte –VA–) den Vorsteuervergütungsantrag ab mit der Begründung, dass dem Antrag nicht die Originalrechnungen beigefügt gewesen seien.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Einspruch vom 28. April 2016 (Bl. 17 der VA), zu deren Begründung sie auf die im Jahre 2014 veränderten internen Prozesse in der Dokumentenverwaltung für Buchhaltungszwecke verwies, in deren Folge bei der Klägerin Rechnungsunterlagen nur noch in elektronischer Form bearbeitet würden. Zum Hintergrund erläuterte die Klägerin, dass seither die Lieferantenrechnungen bei den einzelnen Niederlassungen der Klägerin in der Schweiz eingingen, jedoch für die Buchhaltung und Rechnungsabwicklung zentral an den Standort der Klägerin in G (Schweiz) weitergeleitet würden. Um die Prozesse in der Kreditorenbuchhaltung effizienter und effektiver zu gestalten, würden seither die in Papierform eingehenden Rechnungen nicht per Post nach G weitergeleit...

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