rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz für entgangene Einnahmen. Prozessvergleich. fehlerhafte Beratung des Anwalts i. S. Abfindung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zahlung der Haftpflichtversicherung ist als Entschädigung i. S. v. § 24 Nr. 1a i. V. m. § 19 Abs. 1 EStG steuerpflichtig. Der Antragsteller hat aufgrund des Prozessvergleichs (als neuer Rechtsgrundlage) von der Haftpflichtversicherung eine Entschädigungsleistung für entgangene Einnahmen erhalten.
2. Zwischen der Schadensentstehung und der Entschädigung hat ein unmittelbarer Zusammenhang bestanden.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1a, § 19 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 3 S. 1 Hs. 2, Abs. 2 S. 2
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren der Antragsteller (Ast) gegen den Einkommensteuerbescheid für 2010, ob die dem Ast zugeflossene Schadensersatzzahlung von 210.000 EUR als Ersatz für entgangene Einnahmen nach §§ 24 Nr. 1a, 19 Abs. 1 EStG steuerpflichtig ist.
Die Ast sind verheiratet und werden zusammen beim Antragsgegner (dem Finanzamt –FA–) zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Ast wurde ab 1. April 2002 als Vorstand S-AG berufen (vgl. bis 31. Dezember 2006 befristeter Anstellungsvertrag vom 23. März 2002, BP-Akte Bd. II, Bl. 30 ff.). Im Anstellungsvertrag waren weder Abfindungszahlungen noch Gratifikationen oder Boni nach Ablauf des befristeten Anstellungsvertrags vorgesehen.
Am 2. August 2006 beschloss der Aufsichtsrat der S-AG, den Ast aufgrund von Unstimmigkeiten nicht mehr weiter als Vorstand über seinen Vertrag hinaus zu berufen.
Nach dem Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden der S-AG vom 2. August 2006 und dem Protokoll der Aufsichtsratssitzung vom 3. August 2006 wurde dem Ast dessen bisheriger Tätigkeit Rechnung tragend angeboten, entweder sein Grundstück einschließlich Gebäude in G zum Verkehrswert zu übernehmen oder ihm einen einmaligen Betrag in Höhe von 200.000 EUR zu zahlen, zahlbar nach dem 1. Januar 2007 (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 34, Bl. 41). Der Ast war zwar grundsätzlich mit diesem Vorschlag einverstanden. Er ließ jedoch nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt Dr. S von der Partnerschaftsgesellschaft…, der S-AG eine modifizierte und von ihm bereits unterschriebene Vereinbarung mit der Bitte um zeitnahe Unterzeichnung zukommen. Danach sollte ihm die S-AG u.a. den aus einer anderweitigen Tätigkeit erzielten Verdienst auf die bis 31. Dezember 2006 fälligen Bezüge aus seinem Anstellungsvertrag nicht anrechnen und die S-AG sollte ihm als Verlust für zukünftig entgehende Einnahmen gemäß § 24, § 34 EStG eine einmalige Abfindung von 200.000 EUR zahlen, zahlbar spätestens am 5. Januar 2007 (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 36 f.).
Ab dem 20. August 2006 wurde der Ast von seiner Vorstandstätigkeit freigestellt.
Am 4. Oktober 2006 teilte die S-AG dem Ast mit, dass der Aufsichtsrat beschlossen habe, ihm keine Abfindung zu zahlen (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 41, 54).
Das Landgericht … wies im Urteil vom 16. September 2008 die Klage des Ast gegen die S-AG auf Zahlung einer Abfindung von 200.000 EUR ab (vgl. BP-Akte Bd. II, Bl. 40). Die Annahme des Angebots der S-AG nach § 145 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) durch den Ast, verbunden mit Erweiterungen und Änderungen, habe ein neues Angebot nach § 150 Abs. 2 BGB dargestellt und sei von der S-AG nicht angenommen worden. Eine Vereinbarung über eine Abfindung sei daher nicht zustande gekommen.
Das Landgericht M wies die Klage des Ast gegen seinen Rechtsanwalt (und die auch beklagte Partnerschaftsgesellschaft) wegen Anwaltshaftung mit Urteil vom 12. Mai 2009 ab. Der Ast hatte Schadensersatz in Höhe von 222.593,05 EUR (Abfindung: 200.000 EUR sowie Gerichts-/Beratungskosten von 22.593,05 EUR, vgl. BP-Akte, Bd. II, Bl. 59) mit der Begründung gefordert, dass er von seinem Anwalt erst verspätet auf die Rechtsfolgen des § 150 Abs. 2 BGB „Eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gilt als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag.”) hingewiesen worden sei. Deshalb sei eine ihm von der S-AG angebotene günstige Abfindungsvereinbarung nicht zustande gekommen. Das Landgericht M sah bereits die Voraussetzungen eines Angebots nach § 145 BGB hinsichtlich des Vorschlags des Aufsichtsrats vom 2. August 2006 als nicht erfüllt an (vgl. BP-Akte, Bd. II, Bl. 96 ff.).
Im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Landgerichts M regte der zuständige Senat des Oberlandesgerichts … in der mündlichen Verhandlung am 13. Januar 2010 den Abschluss eines Prozessvergleichs an. Der Senat wies darauf hin, dass er entgegen der Auffassung des Erstgerichts von einem annahmefähigen Angebot des Aufsichtsrats ausgehe, so dass der Ast über die Rechtslage nach § 150 Abs. 2 BGB von seinem Anwalt hätte aufgeklärt werden müssen. Zudem sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Vernehmung des Zeugen D -größter Einzelgesellschafter der SWB- geklärt worden, dass sich der Ast bei Aufklärung über die sich aus § 150 Abs. 2 BGB ergebe...