rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Nur eine innergemeinschaftliche Lieferung bei Reihengeschäft. Widersprüchliche Beurteilung der Verfügungsmacht. Kein Gutglaubensschutz bei fehlendem Nichtwissen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Lieferung von Fahrzeugen durch einen inländischen Gebrauchtwagenhändler an eine Firma im Gemeinschaftsgebiet, die im Auftrag des letzten französischen Abnehmers in der Reihe versendet oder befördert werden, sind keine umsatzsteuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferungen, sondern als innergemeinschaftlichen Lieferungen vorangehende Lieferungen, die am Ort des Versendungs- bzw. Beförderungsbeginns als ausgeführt gelten.

2. Bei der summarischen Prüfung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist es ausgeschlossen, dem Unternehmer bei der Lieferung und Weiterveräußerung ein und desselben Fahrzeugs bei der Eingangsleistung den Vorsteuerabzug mangels Verfügungsmacht zu nehmen und anschließend die Ausgangsleistung unter Bejahung der Verfügungsmacht zu besteuern.

3. Ist dem Unternehmer bewusst, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv nicht vorliegen, weil er bereits in einer E-Mail an eine Behörde der EU diesbezügliche Befürchtungen geäußert hat, scheidet ein Gutglaubensschutz gem. § 6a Abs. 4 UStG aus.

 

Normenkette

UStG 2005 § 3 Abs. 6 Sätze 5, 1, Abs. 7 S. 2 Nr. 1, Abs. 1, § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; MwStSystRL 2006/112/EG Art. 138 Abs. 1, 2 Buchst. a; EWGRL 388/77 Art. 28c Teil A

 

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2004 und 2005 jeweils vom 25. Februar 2010 werden in voller Höhe (2004: 45.122,58 EUR, 2005: 719.508,30 EUR), der Umsatzsteuerbescheid für 2006 wird in Höhe von 10.958,35 EUR und der Umsatzsteuerbescheid für 2007 wird in Höhe von 57.054,55 EUR für die Dauer des Einspruchsverfahrens von der Vollziehung ausgesetzt. Die Verwirkung angefallener Säumniszuschläge wird insoweit aufgehoben, als sie auf die ausgesetzten Beträge entfallen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 7/8, der Antragsgegner zu 1/8.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren der Vorsteuerabzug aus Autoeinkäufen bei der Firma X und die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Kfz- Lieferungen des Antragstellers in den Jahren 2004 bis 2007.

Der Antragsteller betreibt unter der Firma C einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Im Einzelnen lieferte er 12 Fahrzeuge im Jahr 2004, in den Jahren 2005 bis 2007 insgesamt 1568 Fahrzeuge an die Firma B in Spanien. Von diesen Lieferungen wurden nach Aktenlage 850 Fahrzeuge von der Spedition A transportiert, 197 Fahrzeuge von anderen Speditionen und 521 Fahrzeuge auf eigener Achse direkt von Deutschland nach Frankreich verbracht. Außerdem lieferte der Antragsteller von Mai bis Juni 2007 sechs Fahrzeuge an die Fa. D.

Nachdem eine erste Umsatzsteuersonderprüfung im Jahr 2006 zu keinen Abweichungen gegenüber den angemeldeten Besteuerungsgrundlagen geführt hatte, ergaben sich aufgrund der im Jahr 2007 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung Änderungen, die zu einer Einleitung eines Steuerstrafverfahrens führten und mit dem Bericht vom 12. Januar 2010 abgeschlossen wurden.

Aufgrund der Erkenntnisse aus dem strafrechtlichen Ermittlungsbericht erließ das im Jahr 2010 zuständige Finanzamt (Antragsgegner) am 25. Februar 2010 Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2004 bis 2007. Es ließ dabei u.a. für die Jahre 2005 bis 2007 den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen der Z nicht zu, weil der Antragsteller keine Verfügungsmacht über die Fahrzeuge gehabt habe, lediglich die Rechnungsstellung und Zahlungsabwicklung sei über ihn erfolgt. Die beanspruchte Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in den Jahren 2004 bis 2007 sei zu versagen, weil es sich zum einen bei den Lieferungen an die B in Spanien um „ruhende” Lieferungen und zum anderen um Lieferungen an Endverbraucher und damit um steuerpflichtige Lieferungen gehandelt habe.

Über die gegen die Umsatzsteuerbescheide eingelegten Einsprüche hat das Finanzamt bisher nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Bescheide lehnte das Finanzamt mit Verfügung vom 6. Mai 2010 ab.

Mit seinem bei Gericht gestellten Antrag macht der Antragsteller im Wesentlichen Folgendes geltend:

Er habe sowohl Zweifel in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht an der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide. Hinsichtlich der von ihm angesprochenen tatsächlichen Zweifel wird insbesondere auf seine Ausführungen in den Schriftsätzen vom 20. Mai (insbesondere die Seiten 15 bis 17), vom 30. September (Seiten 22 bis 24) und vom 22. November 2010 (Seiten 5 bis 10) hingewiesen.

Im Einzelnen habe er die in Deutschland erworbenen Fahrzeuge ordnungsgemäß an die B verkauft. Der Transport der Ware sei unterschiedlich erfolgt, wobei der Großteil der Fahrzeuge von der Spedition A bei ihm abgeholt worden sei. Ein Teil der Fahrzeuge sei auf eigener Achse ins Bestimmungsland befördert un...

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