Entscheidungsstichwort (Thema)

AdV: Einbindung in ein umsatzsteuerliches Betrugssystem durch falsche Fakturierung von Fahrzeugen in der Rechnungskette

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung wegen Nichterlangung der Verfügungsmacht auf Grund der Einbindung des Antragstellers als sogenannter Rechnungsschreiber in ein umsatzsteuerliches Betrugssystem durch falsche Fakturierung von Fahrzeugen in der Rechnungskette.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 1b

 

Tatbestand

I.

Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen vorliegen und ob der Kläger zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen berechtigt ist.

Der Antragsteller betrieb in den Streitjahren einen Kraftfahrzeughandel; der Unternehmensgegenstand umfasste auch die Fahrzeugvermittlung, den Export, die administrative Abwicklung innergemeinschaftlicher Lieferungen und Fahrzeugüberführungen. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich. Außerdem war er als "selbständiger Verkäufer" auf Provisionsbasis für die B tätig.

In den Umsatzsteuererklärungen 2007 (vom 07.07.2008) und 2008 (vom 30.04.2010) erklärte er u.a. steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß § 4 Nr. 1b Umsatzsteuergesetz (UStG) i.H.v. 710.350 € (2007) bzw. 6.314.899 € (2008). Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG machte er i.H.v. 142.247,06 € (2007) bzw. 1.180.608,77 € (2008) geltend. Nach Zustimmung durch das Finanzamt standen die Erklärungen einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich, §§ 168, 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).

Ab dem 17.11.2008 fand beim Antragsteller für den Zeitraum 2007 und Januar bis September 2008 wegen der innergemeinschaftlichen Lieferungen eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, dass der Kläger im Rahmen einer Lieferkette Fahrzeuge an die spanischen Unternehmen X, Y und Z verkauft habe, die sie wiederum an französische Abnehmer veräußert hätten, welche die Fahrzeuge abgeholt hätten. Er war der Auffassung, dass es sich bei den erklärten "innergemeinschaftlichen Lieferungen" nach Spanien um ruhende Lieferungen im Rahmen eines Reihengeschäfts handle, die in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig seien.

Aufgrund des vorläufigen Prüfungsberichts vom 04.12.2008, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, setzte das Amt mit nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheiden vom 12.12.2011 die Umsatzsteuer 2007 von ./. 114.247,06 € auf ./. 5.077,18 € und die Umsatzsteuer 2008 von ./. 1.157.410,89 € auf ./. 231.344,64 € herauf. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.

Am 10.01.2012 legte der Antragsteller Einspruch gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 12.12.2011 ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Mit Bescheid vom 06.02.2012 lehnte das Finanzamt den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Am 16.02.2012 legte der Antragsteller auch hiergegen Einspruch ein.

Noch vor Ergehen der Änderungsbescheide war am 04.07.2011 ein steuerliches Strafverfahren gegen den Antragsteller eingeleitet worden. Am 26.10.2011 fand bei ihm eine Durchsuchung durch die Steuerfahndung statt. Das Verfahren wurde mit Ermittlungsbericht vom 30.07.2013 abgeschlossen. Daraus ergibt sich (vgl. Bl. 22, 23 und 31), dass der mit der B vereinbarte Provisionsanspruch aus einer monatlichen Grundprovision und einer erfolgsabhängigen Provision in Höhe eines Prozentsatzes vom Netto-Verkaufspreis bestand.

Nach Auffassung der Fahndungsprüfung war der Antragsteller in den Streitjahren als Scheinselbständiger für die B tätig (Tz. 5.3.2 ff.). Er habe in der Händlerabteilung der B die gleichen Arbeiten ausgeführt, wie die beiden anderen Verkäufer bzw. Verkaufteams C und D. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei er in die Betriebsorganisation der B eingebunden und weisungsgebunden gewesen und habe sich von den beiden anderen Verkäufern nur durch die Bezeichnung als freier Mitarbeiter unterschieden. Dies ergebe sich daraus, dass er zunächst in einer Filiale der B – zusammen mit D – und später in den jeweiligen Räumen der Händlerabteilung tätig gewesen sei. Die Büroausstattung sei von B gestellt worden. Die Händlerteams hätten zwar dem Grunde nach selbständig gearbeitet, sich aber bei Botengängen u.ä. auch gegenseitig unterstützt. Es habe auch Absprachen wegen der Verkaufspreise gegeben. Die Anwesenheit des Antragstellers am Arbeitsplatz in der B habe zwar im Laufe der Jahre abgenommen, auch seien nach Zeugenaussagen keine täglichen Arbeitszeiten erfasst worden, doch habe man dem firmeneigenen EDV-Programm Anwesenheitslisten für den Antragsteller entnehmen können. Dieses EDV-Programm sei auch für die Fahrzeugverkäufe verwendet worden. Die verkauften Fahrzeuge hätten ausnahmslos aus dem Bestand der B gestammt. Im operativen Geschäft sei der Antragsteller an die Dienstanweisungen der B gebunden gewesen, z.B. hinsichtlich der Nutzung der Firmenfahrzeuge sowie des U...

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