Entscheidungsstichwort (Thema)
EuGH-Vorlage des FG München: Hinzurechnung von im Bereich der Europäischen Union angefallenen Software-Entwicklungskosten zum Zollwert von Steuergeräten für Kfz
Leitsatz (redaktionell)
1. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Entwicklungskosten für eine Software, die in der Europäischen Union erarbeitet, dem in einem Drittland ansässigen Verkäufer von Steuergeräten für Kfz unentgeltlich vom Käufer zur Verfügung gestellt und jeweils im Drittland auf das eingeführte Steuergerät aufgespielt wurde, dem Transaktionswert für die eingeführte Ware nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union – Unionszollkodex – (ABl. Nr. L 269/1 v.10.10.2013) hinzuzurechnen, wenn sie nicht in dem für die eingeführte Ware tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthalten sind?
2. Der vorlegende Senat des FG München tendiert dazu, die fragliche Software (siehe 1.) als „Technik” oder „Entwicklung” unter Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv) Unionszollkodex einzustufen, womit eine Hinzurechnung der Kosten zu unterbleiben hat, wenn die Software in der Europäischen Union erarbeitet worden ist.
Normenkette
VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv, Abs. 3, Art. 70 Abs. 1; UZK Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iv, Abs. 3, Art. 70 Abs. 1; EUVtr Art. 267
Nachgehend
Tenor
A. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) wird gem. Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind die Entwicklungskosten für eine Software, die in der Europäischen Union erarbeitet, dem Verkäufer unentgeltlich vom Käufer zur Verfügung gestellt und auf das eingeführte Steuergerät aufgespielt wurde, dem Transaktionswert für die eingeführte Ware nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union – Unionszollkodex – (ABl. Nr. L 269/1 vom 10. Oktober 2013) hinzuzurechnen, wenn sie nicht in dem für die eingeführte Ware tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis enthalten sind?
B. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des EuGH über die Vorabentscheidungsfrage ausgesetzt.
Gründe
1. Sachverhalt
Die Klägerin führte Steuergeräte von verschiedenen Herstellern aus Drittländern ein und ließ die Waren zum freien Verkehr abfertigen. Im Rahmen einer Zollprüfung stellte das Hauptzollamt (HZA) fest, dass die Klägerin den drittländischen Lieferanten kostenlos Standard-Softwarekomponenten zur Verfügung gestellt hatte, die von diesen auf die eingeführten Steuergeräte aufgespielt worden waren. Die Software wird auf einem Portal der Klägerin bereitgestellt und von den drittländischen Herstellern mittels eines Downloads bezogen. Sie ist durch beauftragte Unternehmen in der EU oder von der Klägerin selbst entwickelt worden und steht in ihrem Eigentum; sie hatte für die Software keine Lizenzgebühren zu entrichten.
Die Software, die eine reibungslose Kommunikation der Systeme und Anwendungen in einem Kraftfahrzeug sicherstellen soll, ist notwendig, um verschiedene technische Vorgänge durchzuführen, die das Steuergerät im Fahrzeugeinsatz übernehmen soll. Die Lieferanten müssen nach den mit der Klägerin getroffenen Vereinbarungen vor der Auslieferung der Steuergeräte einen Funktionstest durchführen. Das danach zu erstellende Testprotokoll soll dokumentieren, dass die Zusammenarbeit von Steuergerät und Software reibungslos funktioniert. Ohne diesen Funktionstest beim Lieferanten könnte nicht festgestellt werden, ob gegebenenfalls auftretende Fehler schon bei der Auslieferung, erst beim Transport oder im Zuge der Implementierung der Software verursacht wurden. Die gesamte Verfahrensweise ist Gegenstand der Verträge mit den drittländischen Herstellern und garantiert nicht nur die Funktionsfähigkeit des eingeführten Geräts, sie ist vielmehr auch Teil der Qualitätssicherung und dient der Sicherung von Gewährleistungsansprüchen.
Die Entwicklungskosten für die Software sind in den Zollanmeldungen nicht zum Zollwert angemeldet worden.
Das HZA kam nach der Zollprüfung zu der Auffassung, dass die Kosten für die Entwicklung der Software dem Zollwert nach Art. 71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i) Unionszollkodex hinzuzurechnen seien und setzte mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25. September 2018 für die im Januar 2018 in den freien Verkehr überführten Waren insgesamt … Euro fest. Hiergegen erhob die Klägerin eine Sprungklage, der das HZA am 23. Oktober 2018 zugestimmt hat (vgl. § 45 der Finanzgerichtsordnung).
Die Klägerin führt aus, dass sich das vorliegende Problem einfach lösen ließe, wenn das Zollverfahren der passiven Veredelung für Software zugänglich wäre. Es bestünde insofern eine Regelungslücke im Z...