rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge und Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
Leitsatz (redaktionell)
1. Abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet der Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen (u.a. bei Ablehnung eines ganzen Gerichts).
2. Mit der Anhörungsrüge kann nur vorgebracht werden, das Gericht habe im Rahmen der angegriffenen Entscheidung gegen den verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen.
3. Eine Gehörsverletzung liegt nicht vor, wenn die Anhörungsrüge im Kern den Vorwurf enthält, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden; dieser Vortrag ist im Rahmen des § 133a FGO nicht erheblich.
Normenkette
FGO §§ 133a, 51; ZPO §§ 42, 44 Abs. 3, § 45 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; GKG § 3 Abs. 2; GKG Anl. 1 – Nr. 6400
Tenor
1. Der Befangenheitsantrag wird abgelehnt.
2. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 12. November 2015 (Az.: 10 V 2733/15), mit dem sein Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 114 Finanzgerichtsordnung (FGO) mit dem Ziel die Vollstreckung gegen ihn einzustellen abgelehnt wurde. Hierzu trägt er vor, dass er keine Nachricht von der Anhängigkeit seiner Streitsache beim Finanzgericht (FG) München gehabt hätte. Damit sei er überrascht und in seinem Vorbringen beeinträchtigt. Im Übrigen habe das FG verkannt, dass die von ihm geltend gemachte Aufrechnung schon verhandelt worden sei und der Eintritt eines Körperschadens von ihm substantiiert nachgewiesen worden sei. Außerdem sei die Verweisung des Rechtsstreits vom Verwaltungsgericht (VG) [… A-Stadt] auf den Finanzrechtsweg an das FG willkürlich und das FG [… B-Stadt] für ihn nicht zuständig.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Senats vom 12. November 2015 aufzuheben und das Verfahren über den Antrag auf einstweilige Anordnung fortzusetzen.
Hierzu stellt er vorab den Antrag, alle sachbefassten Richter, die an dem Beschluss vom 12. November 2015 mitgewirkt haben, wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß § 51 FGO i.V.m. § 41 Zivilprozessordnung (ZPO) von der Mitwirkung auszuschließen. Hierzu führt der Antragsteller aus, dass er nicht angehört worden sei und alle Vorgänge gerichtskundig seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Anhörungsrüge des Antragstellers vom 1. Dezember 2015 gegen den Beschluss des Senats vom 12. November 2015 wird abgelehnt.
Auch das Ablehnungsgesuch des Antragstellers hat keinen Erfolg. Der Senat kann trotz der Erklärung des Antragstellers, er lehne die beteiligten Richter ab, in der aus dem Rubrum ersichtlichen Besetzung entscheiden.
I. Der beschließende Senat entscheidet über die Anhörungsrüge in seiner im Geschäftsverteilungsplan vorgesehenen Besetzung, ohne dass es einer vorherigen dienstlichen Äußerung der abgelehnten Richter nach § 51 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO bedarf. Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers, mit dem die Richter des Verfahrens über die einstweilige Anordnung (Az. 10 V 2733/15) als befangen abgelehnt werden, ist rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig. Über das Ablehnungsgesuch muss nicht durch gesonderten Beschluss entschieden werden.
a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom II. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422; vom 25. August 2009 V S 10/07, BFHE 226, 109, BStBl II 2009, 1019 m.w.N.).
b) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung. Es ist allerdings anerkannt, dass abweichend vom Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO der Spruchkörper ausnahmsweise in alter Besetzung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters über unzulässige Ablehnungsgesuche in bestimmten Fallgruppen entscheidet. Hierzu zählt u.a. die Ablehnung eines ganzen Gerichts – Spruchkörpers – (vgl. Bundesverfassungsgericht-≪BVerfG≫-Beschluss vom 20. Juli 2007 1 BvR 2228/06, NJW 2007, 3771, unter II.2.a; BFH-Beschlüsse in BFHE 226, 109, BStBl II 2009, 1019; vom 3. Juli 2014 V S 13/14, BFH/NV 2014, 1572 jeweils m.w.N.).
So liegt es hier. Der Antragsteller hat in seinem Schriftsatz vom 1. Dezember 2015 pauschal alle Richter des Senats, die an dem Beschluss vom 12. November 2015 (Az. 10 V 2733/15) mitgewirkt haben, allein wegen der Mitwirkung an diesem Beschluss abgelehnt, ohne konkrete Anhaltspunkte vorzubringe...