Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über Vermögen des Steuerschuldners ohne vorheriges Verlangen, ein Vermögensverzeichnis vorzulegen
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Steuerschuldners kann von der Finanzbehörde gestellt werden, wenn dieser ein Anspruch zusteht, der ihr im Insolvenzverfahren die Stellung eines Gläubigers gibt.
2. Die Finanzbehörde handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn sie davon absieht, vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines zahlungsunfähigen bzw. überschuldeten Steuerschuldners die Vorlage eines Vermögensverzeichnisses zu verlangen oder weitere Vollstreckungsversuche zu unternehmen, wenn sie aufgrund der Gesamtumstände annehmen muss, dass diese fruchtlos verlaufen.
Normenkette
FGO §§ 102, 114; AO §§ 47, 227, 249, 251; InsO § 19
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Antragsgegner.
Die Antragstellerin ist eine GmbH. Wegen Abgabenrückständen (Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Säumniszuschläge) betreibt der Antragsgegner gegen die Antragstellerin seit 2009 Vollstreckungsmaßnahmen. Mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber der Kreissparkasse … führten zu keiner vollständigen Befriedigung des Antragsgegners. Zuletzt verlief eine Pfändung und Einziehungsverfügung vom 8.5.2012 gegenüber der Kreissparkasse … wegen Rückständen in Höhe von 41.785 EUR erfolglos, da die Antragstellerin bei der Kreissparkasse über kein Guthaben mehr verfügte und die Geschäftsverbindung seitens der Kreissparkasse gekündigt worden ist. Ein Pfändungsversuch durch den Vollziehungsbeamten vom 16.7.2012 verlief ebenfalls erfolglos, da keine pfändbaren Sachen vorgefunden wurden.
Ein Auskunftsersuchen vom 24.7.2012 an das Amtsgericht … – Vollstreckungsgericht – ergab, dass die Antragstellerin nicht in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist und sie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht beantragt hat. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin bat am 16.7.2012 bei der Antragsgegnerin telefonisch um einen Vollstreckungsaufschub von ca. sechs Monaten, da eine neuer Geschäftsführer bestellt worden sei, der gerade am Aufarbeiten des vom alten Geschäftsführer hinterlassenen „Chaos” sei. Der Antragsgegner lehnte einen Aufschub ab, da es sich bei den Rückständen zum Teil um Schätzungen handele und seit dem letzten Stundungsantrag vom 19.1.2012 lediglich Zahlungen von 1232,50 EUR geleistet worden seien.
Mit Schreiben vom 19.9.2012 beantragte der Antragsgegner beim Amtsgericht … – Insolvenzgericht – unter Beifügung einer Rückstandsaufstellung über das Vermögen der Antragstellerin das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Begründet wurde der Antrag damit, dass die Vollstreckungsschuldnerin ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei und Steuern und steuerliche Nebenleistungen in Höhe von 51.799,03 EUR schulde. Als Insolvenzgrund wurde angegeben, dass die Pfändung des Kontos bei der Kreissparkasse erfolglos gewesen sei, seit dem 15. März 2012 keinerlei Zahlungen mehr realisiert worden seien und die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen fruchtlos verlaufen sei. Laut einem Aktenvermerk zum Insolvenzantrag vom 19.9.2012 sei von einer Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgesehen worden, da keinerlei neue Erkenntnisse zu erwarten seien. Die Rückstände bestünden hauptsächlich aus bestandskräftigen Steuerfestsetzungen (Schätzungen). Vollstreckungsversuche seien erfolglos verlaufen.
Die Antragstellerin wendet sich mit dem vorliegenden Antrag gegen den vom Antragsgegner gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zur Begründung führte sie aus, die in der Rückstandsaufstellung aufgeführten Abgaben beruhten im Wesentlichen auf Schätzungen für die Jahre 2010-2012. Die Abgabenlast aus dem Jahr 2009 ergebe sich zwar aus dem Einkommen diesen Jahres, aufgrund des Verlustes aus dem Jahre 2010 und dem daraus resultierenden Verlustrücktrag liege die Abgabenlast für 2009 aber voraussichtlich ebenfalls bei 0 EUR. Die ausgewiesene Umsatzsteuerabschlusszahlung in Höhe von 6656,08 EUR sei unzutreffend, da die Steuer im Rahmen der Vorauszahlungen für das Kalenderjahr 2010 in vollen Umfang geleistet worden sei.
Auch die ausgewiesenen Lohnsteuern seien durch Verrechnung getilgt worden, bezüglich der ausgewiesenen Säumniszuschläge sei ein Erlassantrag beim Antragsgegner eingereicht worden. Da sie zwischenzeitlich alle offenen Erklärungen für die Jahre 2010 und 2011 beim Finanzamt … eingereicht habe und sich die daraus resultierende Steuerlast entsprechend verringere, sei der Insolvenzantragsgrund entfallen.
Die Antragstellerin beantragt,
im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, den am 19.9.2012 beim Amtsgericht … eingereichten Insolvenzantrag zurückzunehmen.
Der Antrag...