rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung. Antidumpingzoll und Ausgleichszoll bei der Einfuhr von Solarmodulen mit Ursprung in China. Verschleierung des Mindesteinfuhrpreises durch indirekte Preisanpassungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Vorliegen ausreichender Anhaltspunkte kann eine Einfuhrabgabenfreiheit versagt werden, wenn den Zollbeteiligten bei den einschlägigen Transaktionen ein Missbrauch des Unionsrechts vorgeworfen werden kann, weil diese künstlich mit dem wesentlichen Ziel vorgenommen worden sind, eine Einfuhrabgabenfreiheit zu erreichen.
2. Die Entstehung von Antidumping- und Ausgleichszöllen bei der Einfuhr von Solarmodulen mit Ursprung in China begegnet keinen ernstlichen Zweifeln, wenn es sich bei dem angemeldeten Zollwert der Waren um einen Preis gehandelt hat, der ausschließlich dazu diente, die Mindestpreisregelung auf dem Papier einzuhalten.
3. Im Streitfall hatten die Verantwortlichen der Einführerin gemeinsam mit deren Muttergesellschaft als Ausführerin ein System entwickelt, das ihren Abnehmern sog. Kickbackzahlungen (Rückzahlungen) bzw. einen Ausgleich für die überhöht in Rechnung gestellten Modulpreise gewährte.
4. Bei Vorliegen einer unzutreffenden Erklärung auf der Verpflichtungsrechnung ist für die Entstehung einer Zollschuld nicht erforderlich, dass die Kommission in jedem Fall die Annahme der Verpflichtung widerruft und die entsprechenden Verpflichtungsrechnungen für ungültig erklärt.
5. Der Zollwert muss den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert einer eingeführten Ware widerspiegeln und alle Elemente dieser Ware, die einen wirtschaftlichen Wert haben, berücksichtigen.
Normenkette
VO (EU) Nr. 1238/2013 Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, b; VO (EU) 1239/2013 Art. 2 Abs. 2 Buchst. a, b; VO (EU) Nr. 952/2013 Art. 45, 162, 85 Abs. 1; UZK Art. 45, 162, 85 Abs. 1; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist im Einspruchsverfahren, ob das Hauptzollamt (HZA) zu Recht gegenüber der Antragstellerin, deren Geschäftsführer in den Streitjahren der Z C (wohnhaft in China) und die M-H (wohnhaft in Nürnberg) waren, Antidumping- bzw. Ausgleichszoll festgesetzt hat.
Die Antragstellerin ist die europäische Vertriebsgesellschaft der S, die in China Solarmodule mit Zellen aus Silizium herstellt. S hält sämtliche Geschäftsanteile an der Antragstellerin, die in großem Umfang Solarmodule ihrer Mutterfirma eingeführt und in verschiedenen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zum freien Verkehr abgefertigt hat.
Die S gehört zu den Unternehmen, die nach Einführung einer vorläufigen Antidumpingmaßnahme auf die Einfuhren von Fotovoltaikmodulen oder -paneelen mit einer bestimmten Zusammensetzung der EU-Kommission eine Preisverpflichtung unter Einhaltung bestimmter Regularien anboten, die diese mit Beschluss vom 4. Dezember 2013 (Amtsblatt – ABl – Nr. L 325/14) annahm und der S eine Einfuhr in die EU ohne Erhebung von Antidumpingzoll bzw. Ausgleichszoll ermöglichte. Die Verpflichtung sah vor, dass die S bestimmte Voraussetzungen zur Erlangung der Vergünstigungen einzuhalten hat. Im Anhang XI der Verpflichtung (Undertaking) ist die Antragstellerin als mit der S verbundenes Element erwähnt.
Die Antragstellerin führte im Streitfall (die überwiegende Zahl der Abfertigung der Waren zum freien Verkehr erfolgte in den Niederlanden) am 23. November 2015 mit 12 Zollanmeldungen (Komplex H II) und vom 17. Oktober 2016 bis 7. November 2016 mit 25 Zollanmeldungen jeweils mit Rechnungen der S eine Vielzahl von Solarmodulen ohne Erhebung der genannten Abgaben zu einem Preis von … Euro (2015) bzw. … Euro (2016) pro Watt/p nach den vorgelegten Belegen ein.
Den Einfuhrpapieren lagen jeweils Ausfuhrverpflichtungen der chinesischen Handelskammer für die Ein- und Ausfuhr von Maschinen und Elektronikerzeugnissen (CCCME) und Verpflichtungsrechnungen der S bei. Die eingeführten Solarmodule lieferte die Antragstellerin an europäische Kunden, mit denen sie gemeinsam unter Verwendung der eingeführten Module verschiedene Solarparks errichtete.
Die am 23. November 2015 beim Zollamt Hamburg-Waltershof angemeldeten Module (Projekt Solarpark H II) hatte die chinesische Muttergesellschaft der Antragstellerin (vgl. Bl. 34 des Schlussberichts der Zollfahndung vom 7. Juni 2018) nach den Feststellungen des HZA bereits mit Modulkaufvertrag vom 8. Oktober 2015 (19.200 Stück mit einer Leistung von 250 Watt) für … Euro, das entsprach … Euro/Wp, an die S E, Dänemark (nachfolgend SE) verkauft.
Am 21./22. Oktober 2015 hatte die SE bereits die JL Dänemark (nachfolgend JL), beide Gesellschaften mit identischen Geschäftsführer, in einem Generalunternehmervertrag mit der Errichtung eines Solarparks beauftragt. Weiterer Vertragspartner war die Antragstellerin, die danach die Module und die Wechselrichter zu liefern und die EPC-(Engineering, Procurement and Construction, also Planung, Beschaffung und Bau) Arbeiten auszuführen hatte, die laut Vertrag wie...