rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsnatur einer Freistellungsbescheinigung nach dem Kulturorchestererlass. Widerruf einer Freistellungsbescheinigung nach dem Kulturorchestererlass
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Freistellung vom Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG nach dem Kulturorchestererlass bezieht sich ausschließlich auf die Abzugs- und Einbehaltungspflicht des Vergütungsschuldners. Sie entscheidet nicht über die sachliche Steuerpflicht der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger.
2. Der tatsächliche Vergütungsschuldner der durch die Freistellungsanträge betroffenen Künstler kann sich auf die einem Dritten (dem vermeintlichen Vergütungsschuldner) erteilte Freistellungsbescheinigung nicht berufen und kann daher auch von deren Widerruf nicht betroffen sein.
Normenkette
EStG 1997 § 50a Abs. 4, § 50 Abs. 7; AO 1977 § 155 Abs. 1 S. 3
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin hatte mit Schreiben vom 29.11.13.12.2000 und 10.01.2001 unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben IV B 4-S 2303-34/83 vom 20.7.1983 „die Freistellung vom Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) der mitwirkenden Künstler, die an der von der Konzertdirektion …, organisierten Europa-Tournee des Theaters in Deutschland teilnahmen” beantragt. Die Anträge wurden im Anschluss an Auftritte des Musical-Theaters …, des Balletts der … Nationaloper … des Operettentheaters … und des staatlichen Tanz- und Gesangsensembles „…” in der BRD gestellt.
Mit Schreiben vom 2.1. und 1.3.2001 erteilte der Antragsgegner (das Finanzamt) der Antragstellerin entsprechende „Bescheinigungen über die Freistellung vom Steuerabzug gemäß § 50 a EStG”.
Mit Schreiben vom 20.9.2001 nahm das Finanzamt die Bescheinigungen gemäß § 130 Abgabenordnung (AO) zurück, da nicht die Antragstellerin, sondern die Konzertdirektion … Vertragspartner der ausländischen Künstler gewesen sei.
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.9.2001 Einspruch ein und beantragte (mit Schreiben vom 14.3.2003) „die Vollziehung der aufgehobenen Freistellungsbescheinigungen auszusetzen”.
Nach Ablehnung dieses Antrags legte die Antragstellerin hiergegen Einspruch ein und vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bescheinigungen nach § 130 AO seien durch das Finanzamt nicht dargetan worden. Eine falsche rechtliche Subsumtion durch das Finanzamt könne ihr nicht vorgeworfen werden.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 11.6.2003 wies das Finanzamt die Einsprüche gegen die Aufhebung der Freistellungsbescheinigungen und gegen die Ablehnung einer Aussetzung der Vollziehung dieser Aufhebung als unbegründet zurück.
Gegen die Einspruchsentscheidungen vom 11.6.2003 legte die Antragstellerin zum einen fristgerecht Klage ein und stellte zum anderen einen gerichtlichen Aussetzungsantrag. Die Klage ist unter dem Aktenzeichen 1 K 2701/03 bei Gericht anhängig.
Die Antragstellerin macht weiterhin geltend, die ursprünglich erteilten Freistellungen seien zum einen nicht rechtswidrig gewesen, zum anderen seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO für eine Rücknahme dieser Bescheinigungen nicht gegeben. Zumindest sei deren Aufhebung mangels eines Verschuldens ermessenfehlerhaft.
Zur Zulässigkeit ihres Aussetzungsantrages vertritt die Antragstellerin die Auffassung, die Aufhebung der begehrten Freistellungsbescheide beinhalte einen vollziehbaren Verwaltungsakt. Dies zeige sich bereits daran, dass nach der Aufhebung die von der Abzugsteuer nach § 50 a Abs. 4 EStG befreiten Veranstaltungen sich nunmehr in dem Haftungsbescheid des Antragsgegners wiederfinden.
Die Antragstellerin beantragt,
die Aussetzung der Vollziehung der streitbefangenen Aufhebungsbescheide vom 20.9.2001 bezüglich der Zurücknahme der Bescheinigungen vom 2.1. und 1.3.2001 über die Freistellung vom Steuerabzug gemäß § 50 a EStG für Gastspiele ausländischer Künstler (Ensembles) nach dem sogenannten „Kulturvereinigungserlass” vom 20.7.1983.
Der Antragsgegner beantragt,
die Ablehnung des Antrags.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
Der Kulturerlass vom 20. Juli 1983 (Bundessteuerblatt – BStBl –, I 1983, 387) beruht auf der Ermächtigung des § 50 Abs. 7 EStG. Diese Ermächtigung bezieht sich auf die Einkommensteuer des beschränkt Steuerpflichtigen insgesamt und ist weder auf bestimmte Einkünfte noch auf bestimmte Erhebungsformen beschränkt (vgl. Herkenroth in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, § 50 Anm. 488).
Soweit in diesem Zusammenhang – wie im Streitfall beantragt – das Finanzamt eine Freistellung vom Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG erteilt, handelt es sich um eine Bescheinigung der Behörde, die sich ausschließlich auf die Abzugs- und Einbehaltungspflicht des Vergütungsschuldners bezieht. Im Gegensatz zu einem Freistellungsbescheid i. S. des § 155 Abs. 1 Satz 3 AO wird mit dieser Bescheinigung nicht über die sachliche Steuerpflicht der Einkünfte des beschränkt Steuerpflichtigen entschie...