Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anerkennung einer Weiterleitung des Kindergelds nach einem Wechsel der vorrangigen Kindergeldanspruchsberechtigung ohne eine schriftliche Bestätigung des nunmehr vorrangig anspruchsberechtigten Elternteils. Haushaltszugehörigkeit eines Kindes
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Rückforderung des Kindergeldes vom Elternteil, der dieses mangels Haushaltsaufnahme des Kindes zu Unrecht bezogen hat, schließt eine Weiterleitung an den kindergeldberechtigten Elternteil die Rückforderung nicht von Gesetzes wegen aus. Diese kann lediglich aus Vereinfachungsgründen von der Familienkasse als Erfüllung des Erstattungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege berücksichtigt werden. Die Entscheidung der Familienkasse, die von dem nachrangig kindergeldberechtigten Elternteil geltend gemachte Weiterleitung nicht anzuerkennen, wenn dieser nicht eine schriftliche Bestätigung des vorrangig Berechtigten beibringt, dass dieser das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht (vgl. Kapitel V 37 DA-KG 2019, BStBl I 2019, 655), ist daher nicht zu beanstanden. Das gilt insbesondere, wenn die Familienkasse das Kindergeld für den streitigen Zeitraum an den nunmehr vorrangig berechtigten Elternteil zwischenzeitlich ausgezahlt hat.
2. Haushaltsaufnahme bedeutet die Aufnahme des Kindes in einer Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienhafter Art. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein. Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG liegt dann vor, wenn die Beteiligten gemeinsam zum Unterhalt der Familie beitragen und der Haushalt beiden zuzurechnen ist. Leben die leiblichen Eltern mit ihren Kindern gemeinsam in einem Haushalt, begründet dies grundsätzlich die Aufnahme in den gemeinsamen Haushalt beider Elternteile.
3. Trennen sich die Eltern eines Kindes und leben sie fortan in verschiedenen Haushalten, so verliert eine früher getroffene Berechtigtenbestimmung in der Regel ihre Bedeutung, weil dann das Kindergeld zwingend an den Elternteil zu zahlen ist, in dessen Haushalt das Kind nunmehr lebt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine vormals getroffene Berechtigtenbestimmung wird daher mit Auflösung des gemeinsamen Haushalts gegenstandslos.
4. Für das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts sind die tatsächlichen und nicht etwa nur die melderechtlichen Verhältnisse maßgebend.
Normenkette
AO § 37 Abs. 2 S. 1; EStG § 31 S. 3, § 64 Abs. 1, 2 Sätze 1-2, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 70 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist nur noch, ob die Beklagte (die Familienkasse) zu Recht die Kindergeldfestsetzung für das Kind P, geboren am 23. Oktober 2006, für die Monate Februar 2019 und März 2019 aufgehoben, und zu Recht Kindergeld in Höhe von 392 EUR von der Klägerin zurückgefordert hat.
Die Klägerin bezog fortlaufend Kindergeld für ihren Sohn P. Sie lebte mit dem Kindsvater, P und weiteren gemeinsamen Kindern, in einem Haushalt in R. Am 5. März 2019 teilte der Kindsvater der Familienkasse telefonisch mit, dass sich die Klägerin und er am 10. Januar 2019 getrennt hätten und das Kind P bei ihm bleibe. Er behalte den bisherigen Haushalt in R bei.
Mit Bescheid vom 14. März 2019 hob die Familienkasse u.a. die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind P ab dem Monat April 2019 gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2019 teilte die Familienkasse der Klägerin u.a. mit, dass nach Änderung der Anspruchsberechtigung die Festsetzung des Kindergeldes für P für die Monate Februar und März 2019 aufzuheben und das zu viel gezahlte Kindergeld in Höhe von 392 EUR zu erstatten sei. P lebe seit 10. Januar 2019 beim Kindsvater. Dieser habe gemäß § 64 Abs. 2 EStG den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld. In dem Schreiben vom 5. Juni 2019 wurde die Klägerin auch auf die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Weiterleitung des Kindergeldes an den Kindsvater hingewiesen. Es wurde erläutert, dass eine schriftliche Bestätigung des Kindsvaters, dass das Kindergeld an ihn weitergeleitet wurde, auf dem beigefügten amtlichen Vordruck vorzulegen ist. Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und Vorlage der Bestätigung über eine Weiterleitung bis 11. Juli 2019.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2019 hob die Familienkasse u.a. die Festsetzung des Kindergeldes für P ab dem Monat Februar 2019 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte Kindergeld für P in Höhe von insgesamt 392 EUR für die Monate Februar und März 2019 zurück. Zur Begründung führte sie an, dass der Kindsvater P in seinen Haushalt aufgenommen und somit vorrangig Anspruch auf Kindergeld habe. Eine Weiterleitung des Kindergeldes könne nicht anerkannt werden, da die hierfür erforderliche schriftliche Bestätigung des Kindsvaters nicht vorliege.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 16. Juli ...