Entscheidungsstichwort (Thema)
Löschungsanspruch aus der DSGVO gegenüber Finanzamt
Leitsatz (redaktionell)
Die DSGVO gewährt keinen Anspruch auf Löschung rechtmäßig verarbeiteter Daten.
Normenkette
DSGVO Art. 9, 17; AO § 29b
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger aufgrund der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangen kann, das Datum „Multiple Sklerose in fortgeschrittenem Stadium” in den Steuerakten und/oder den Datenbanken des Finanzamts zu löschen, sowie die Frage, ob das Finanzamt verpflichtet ist, es zu unterlassen, außerhalb eines Zwangsgeldfestsetzungsverfahrens dieses Datum bzw. die schriftliche Äußerung des steuerlichen Beraters des Klägers, aus dem dieses Datum stammt, Dritten („allen Stellen in der Finanzverwaltung und der Finanzgerichte”) mitzuteilen. Darüber hinaus ist streitig, ob das Finanzamt verpflichtet ist, die Verarbeitung dieses Datums bzw. der Äußerung des steuerlichen Beraters außerhalb des Einspruchsverfahrens gegen die Zwangsgeldfestsetzung zu unterlassen. Schließlich ist streitig, ob es die beantragte Löschung der Daten allen Empfängern mitteilen muss, gegenüber denen diese offengelegt wurden.
Der Kläger zeigte mit Schreiben vom 12.09.2019 unter Berufung auf die DSGVO dem Beklagten – dem Finanzamt – folgenden Sachverhalt an: Der Steuerberater des Klägers habe am 10.05.2019 Einspruch gegen eine Zwangsgeldfestsetzung vom 26.04.2019 eingelegt, die im Zusammenhang mit der angeforderten Abgabe der Einkommensteuererklärung 2017 stehe. Im Einspruchsschreiben habe der Steuerberater dem Finanzamt mitgeteilt, dass der Kläger an einer Multiple-Sklerose-Erkrankung in fortgeschrittenem Stadium leide. Diese Mitteilung sei ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, die verspätete Abgabe der Einkommensteuererklärung 2017 zu erklären und zu entschuldigen.
Am 22.07.2019 habe der Mitarbeiter des Finanzamts, … (L), in einem Revisionsverfahren über Gewerbesteuermessbescheide für 2004-2011 der … KG, deren Rechtsnachfolger der Kläger sei, gegenüber dem Bundesfinanzhof (BFH) folgendes mitgeteilt:
„Begründung:
vorab weise ich auf folgendes hin:
Die steuerliche Vertretung des [Name des Klägers] in dessen Veranlagungsverfahren, die [Name und Anschrift des Steuerberaters], hat in einem Schreiben vom 10.05.2019 Zweifel daran geäußert, dass [Name des Klägers] aufgrund seiner Erkrankung (Multiple Sklerose in fortgeschrittenem Stadium) in der Lage sei, komplexere Vorgänge zu erfassen bzw. die von ihm aktuell unterschriebene Steuererklärung 2017 inhaltlich aufnehmen zu können.”
Am 28.08.2019 habe L dem BFH das Gleiche in einem Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss über eine Aussetzung des Verfahrens nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) in Sachen der … GmbH mitgeteilt, deren Rechtsnachfolger der Kläger sei. Im zugehörigen Hauptsacheverfahren gehe es um gewerbesteuerliche Zuteilungsbescheide für 2007-2009.
Der Kläger teilte durch seinen Bevollmächtigten dem Finanzamt mit Schreiben vom 12.09.2019 mit, dass es sich bei diesen Daten um sogenannte sensible Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO handele, deren Verarbeitung grundsätzlich untersagt sei. Soweit § 29b Abgabenordnung (AO) die Verarbeitung sensibler Daten erlaube, sei die Verarbeitung lediglich zu dem Zweck gestattet, zu dem sie erhoben worden seien. Zweck der Mitteilung der Erkrankung sei eindeutig und unmissverständlich die Erläuterung und Entschuldigung der verspäteten Abgabe der Einkommensteuererklärung 2017 bzw. des hierzu geführten Zwangsgeldverfahrens gewesen. Dieser Zweck sei nicht identisch mit den Verfahren vor dem BFH. Hieran ändere nichts, dass der Kläger Rechtsnachfolger der beiden Gesellschaften geworden sei. Die Mitteilung der Daten an den BFH sei somit unbefugt und unzulässig gewesen. Er beantrage die unverzügliche Löschung, die Mitteilung der Löschung gegenüber allen Empfängern, denen diese Daten offengelegt worden seien – soweit bekannt, beträfe dies die beiden beim BFH anhängigen Verfahren –, sowie die Information über gegebenenfalls weitere Empfänger, denen diese Daten mitgeteilt worden seien. Er widerspreche der Verarbeitung und Weiterverarbeitung der Daten außerhalb des Einspruchsverfahrens gegen die Zwangsgeldfestsetzung zur Einkommensteuer. Er erwarte eine Bestätigung über die Durchführung der Anträge und weise auf die Informationspflicht nach Art. 33 DSGVO hin. Er werde zusätzlich von seinem Beschwerderecht nach Art. 77 DSGVO Gebrauch machen.
Das Finanzamt bestätigte mit Schreiben vom 18.09.2019 den Eingang des Schreibens und forderte die Vorlage einer Vollmacht an.
Mit Schreiben vom 26.09.2019 legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten die Vollmacht vor und reklamierte, dass das Finanzamt nicht unverzüglich die geforderten Maßnahmen nach der DSGVO eingeleitet habe. Außerdem bemängelte er, dass der die Anzeige nach der DSGVO bearbeitende Bearbeiter nicht als Datenschutzbeauftragter benannt worden sei. Schließlich erbat er Auskunft, zu welch...