Leitsatz

Die DSGVO gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen (Art. 2 Abs. 1 DSGVO).

 

Sachverhalt

Der Steuerberater des Klägers hatte dem Finanzamt (FA) in einem Einspruchsverfahren wegen einer Zwangsgeldandrohung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 2017 am 12.9.2019 mitgeteilt, dass sein Mandant an einer Multiple-Sklerose-Erkrankung in fortgeschrittenem Stadium (Daten) leide. Diese Mitteilung erfolge ausdrücklich nur zu dem Zweck, die verspätete Abgabe der Steuererklärung 2017 zu erklären und zu entschuldigen. In der Folge gab das Finanzamt diese Daten im Wege des Langzitats in einem den Kläger betreffenden Revisionsverfahren an den BFH weiter.

Daraufhin teilte der Kläger dem Finanzamt mit, dass es sich bei diesen Daten um sog. sensible Daten nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO handele, deren Verarbeitung grundsätzlich untersagt sei, und beantragte die unverzügliche Löschung sowie die Mitteilung der Löschung gegenüber dem BFH.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die vom Kläger beanstandeten Maßnahmen und insbesondere die Weitergabe der Daten an den BFH zulässig gewesen sei. Mit seiner Klage verfolgte der Kläger sein Ziel der Löschung der Daten bzw. der Unterlassung weiterer Mitteilungen, der Untersagung der Verarbeitung und Mitteilung der Löschung an den BFH weiter.

 

Entscheidung

Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen und entschieden, dass die manuelle Verwendung der Daten des Klägers im Schreiben vom 12.9.2019 nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO falle, auch wenn das Schreiben zur Steuerakte genommen worden sei.

Personenbezogene Daten seien nicht nur alle Einzelangaben, die in den Datenbanksystemen des Finanzamts mit Bezug auf den Kläger bzw. dessen Steuer- oder Steueridentifikationsnummern gespeichert seien. Personenbezogene Daten lägen auch insoweit vor, als in Steuerakten – gleich ob elektronisch oder auf Papier manifestiert – Dokumente enthalten seien, in deren nicht weiter strukturierten Texten Einzelangaben über die steuerlichen und damit stets auch persönlichen Verhältnisse des Klägers wiedergegeben seien. Damit stelle die Angabe zu einer Multiple-Sklerose-Erkrankung zunächst ein personenbezogenes Datum des Klägers dar.

Dieses Datum würde durch das Finanzamt allerdings nicht automatisiert verarbeitet. Eine Speicherung der Daten in einem Dateisystem sei nicht erfolgt und auch nicht vorgesehen, sodass der sachliche Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 DSGVO nicht eröffnet sei. Die Aufnahme der Daten im Wege des Langzitats in ein eigenes Schreiben des Finanzamts an den BFH sei eine rein manuelle Verarbeitung.

Darüber hinaus seien die Daten auch nicht in einem Dateisystem gespeichert, denn bei Akten in Papierform, die umfangreiche nicht weiter strukturierte Einzeldokumente enthielten, könne nicht von vornherein von einer "Speicherung in einem Dateisystem" ausgegangen werden. Die papierene Steuerakte enthalte vielmehr nur die in zeitlicher Abfolge sortierte Ablage der schriftlichen Kommunikation der Verwaltung mit den Steuerpflichtigen und diverser anderer unstrukturierter Texte.

 

Hinweis

Das FG hat die Revision zum BFH zugelassen, da es der Frage nach dem Umfang des Auskunftsrechts im Bereich der Steuerverwaltung nach der Einführung der DSGVO im Jahr 2018 grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat. Darüber hinaus liegen hinsichtlich der Frage, ob die DSGVO auch im Bereich der direkten Steuern wie der Einkommensteuer Anwendung findet, unterschiedliche Entscheidungen der Instanzengerichte vor, sodass die Revisionszulassung auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich war.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil v. 04.11.2021, 15 K 2687/19

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