Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. Abstammungsgutachten. Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht. Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und Minderung des Beweismaßes des Finanzgerichts bei Verletzung der Mitwirkungspflicht bei einem Auslandssachverhalt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nicht, wenn sich aus einem vom Gericht angeforderten Abstammungsgutachten ergibt, dass das Kind entgegen dem ursprünglichen Vortrag der Anspruchstellerin nicht leibliches Kind ihres Ehemanns und damit auch nicht ihr Stiefkind ist.

2. Für eine Vaterschaftsanerkennung nach deutschem ist neben der Anerkennung durch den Vater eine Zustimmung der Mutter und der Kinder erforderlich. Anerkennung und Zustimmung müssen von einem Notar, einem Rechtspfleger des Amtsgerichts, einem Standesbeamten oder einem Beamten oder Angestellten des Jugendamts öffentlich beurkundet werden. Eine Anerkennung ist ausgeschlossen, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes vorliegt.

3. Kann im finanzgerichtlichen Verfahren der Sachverhalt deshalb nicht vollständig aufgeklärt werden, weil die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht (hier betreffend einen Auslandssachverhalt) verletzt hat, so führt das zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes. Weiterer Ermittlungen durch das Gericht bedarf es dann nicht.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 2, § 32; BGB §§ 1594-1595, 1597; FGO § 76 Abs. 1 Sätze 1, 4; AO § 90 Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 03.08.2015; Aktenzeichen III B 154/14)

BFH (Beschluss vom 03.08.2015; Aktenzeichen III B 154/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für das Kind T, geboren am …, für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich Juli 2010 und das Kind N, geboren am …, für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich November 2009 hat.

Die Familienkasse – Abteilung C – (Beklagte) setzte zuletzt mit Verfügung vom 1. April 2009 Kindergeld für die Kinder T und N für die Klägerin fest. Nach einem Antrag auf Weiterzahlung von Kindergeld und der Einreichung einer Bestätigung über den Schulbesuch von T gewährte die Familienkasse mit Verfügung vom 4. März 2010 weiterhin befristet bis Juli 2010 Kindergeld. Die Festsetzung wurde ab August 2010 mit Bescheid vom 15. Dezember 2011 aufgehoben. Mit Verwaltungsakt vom 18. Februar 2010 bewilligte die Familienkasse Kindergeld für das Kind N befristet bis November 2009.

Aus einem der Familienkasse zugeleiteten Ermittlungsergebnis der KPI P vom 8. Februar 2013, auf das Bezug genommen wird, ergab sich, dass die Kinder T und N nicht die Stiefkinder der Klägerin sind, wie diese angegeben hatte. Der angebliche Vater der Kinder, Herr M, gab bei einer polizeilichen Vernehmung an, dass es sich bei der zwischen ihm und der Klägerin geschlossenen Ehe nur um eine Scheinehe gehandelt habe, um für ihn einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu bekommen. Bedingung sei gewesen, dass er sich als Vater der beiden Nichten der Klägerin ausgebe und den Familiennachzug beantrage. T und N seien im Mai 2007 nach Deutschland gekommen und bei der Klägerin und ihm, Herrn M, eingezogen. Die Klägerin habe von T und N jeweils 7.500 EUR gefordert.

Die Familienkasse hob daraufhin die Festsetzung für T und N jeweils mit Bescheiden vom 15. Mai 2014 ab Februar 2007 auf und forderte das für T gezahlte Kindergeld für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich Juli 2010 sowie den Kinderbonus 2009 i.H.v. insgesamt 7.012 EUR und das für das für N gezahlte Kindergeld für die Zeit von Februar 2007 bis einschließlich November 2009 sowie den Kinderbonus 2009 i.H.v. insgesamt 6.237 EUR zurück, da es sich bei T und N nicht um die Stiefkinder der Klägerin handle. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies sie mit Einspruchsentscheidungen, jeweils vom 21. Juli 2014, auf die Bezug genommen wird, als unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung der Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheide begehrt. Zur Begründung trägt sie vor, es handle sich um die Kinder des damaligen Ehemannes. Das habe dieser jedenfalls so erklärt. Das ergebe sich auch aus dem ausgefüllten und von Herrn M unterschriebenen Kindergeldantrag sowie aus der vorgelegten Geburtsurkunde. Als Beweis würden die beiden Kinder N und T als Zeuginnen angeboten.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 14. August und 6. und 14. Oktober 2014 samt Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheide, jeweils vom 15. Mai 2014 und

die Einspruchsentscheidung, jeweils vom 21. Juli 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.

Mit Beschluss vom 23. September 2014 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 zog das Gericht die Akten des Am...

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