Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückstellungen für am Bilanzstichtag ausstehende Urlaubstage und Überstunden der Belegschaft
Leitsatz (redaktionell)
Rückständige Urlaubsverpflichtungen sind als sog. Erfüllungsrückstand zurückzustellen. Die Höhe der Rückstellung bestimmt sich nach dem Urlaubsentgelt, das der Arbeitgeber hätte aufwenden müssen, wenn er seine Zahlungsverpflichtung bereits am Bilanzstichtag erfüllt hätte. Dabei ist im Fall einer Durchschnittsberechnung der maßgebliche Lohnaufwand durch die Zahl der regulären Arbeitstage – nicht die typisierend ermittelte Zahl der tatsächlichen Arbeitstage – zu dividieren und mit der Zahl der offenen Urlaubstage zu vervielfachen.
Normenkette
EStG § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3; HGB § 249 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung; Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist insbesondere die Beratung in Fragen der Datenverarbeitung und die Produktion sowie der Vertrieb von Software.
In ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2002 berücksichtigte die Klägerin gem. § 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) u. a. Rückstellungen für ausstehende Urlaubstage und Überstunden der Belegschaft. Entsprechend den Vorgaben ihrer Mehrheitsgesellschafterin bewertete die Klägerin die Urlaubsrückstellungen entsprechend dem vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW) vorgeschlagenen Bewertungsschema; nach der insoweit vorgegebenen Berechnungsformel (Rückstellung = Jahresgehalt ÷ 220 Gesamtarbeitstage × ausstehende Urlaubstage) errechnete die Klägerin zum Bilanzstichtag am 31.12.2002 eine Urlaubsrückstellung in Höhe von 73.200 EUR sowie eine Überstundenrückstellung in Höhe von 900 EUR, insgesamt 74.100 EUR.
Im Zuge einer u. a. das Streitjahr 2002 betreffenden Betriebsprüfung beanstandete der Betriebsprüfer die Bewertung der Rückstellung für ausstehende Urlaube bzw. Überstunden hinsichtlich der Verwendung des Divisors (220 Gesamtarbeitstage). Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, dass Urlaubsrückstellungen –abweichend von der im Jahresabschluss der Klägerin angewandten Berechnungsformel–unter Zugrundelegung von 250 „Soll”-)Arbeitstagen zu berechnen seien; als Divisor sei danach die Zahl der regulären Arbeitstage anzusetzen. Aufgrund dieser Prämisse ermittelte der Betriebsprüfer einen um 8.800 EUR geringeren Rückstellungsbetrag.
Der Beklagte (Finanzamt) folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ unter dem 15. November 2004 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr, in denen der Berechnung der Rückstellung für rückständige Urlaubsverpflichtungen 250 Soll-Arbeitstage zu Grunde gelegt wurden.
Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, die Rückstellung für ausstehende Urlaubsverpflichtungen in der im Jahresabschluss zum 31.12.2002 ausgewiesenen Höhe zum Ansatz zu bringen, weiter. Sie legt dar, dass zwischen der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der führenden handelsrechtlichen Kommentarliteratur ein Dissens hinsichtlich des den Urlaubsrückstellungen zu Grunde zu legenden Berechnungsansatzes bestehe. Der vom Finanzamt angewandte Berechnungsansatz beruhe auf der Überlegung, dass die Urlaubsrückstellung in Höhe desjenigen Urlaubsentgelts zu bilden sei, das der Arbeitgeber in bar zahlen müsste, wenn der Arbeitnehmer zum Bilanzstichtag ausscheide. Dies widerspreche dem Grundsatz des § 252 Abs. 2 Nr. 2 HGB, wonach bei der Bilanzierung von der Annahme der Unternehmensfortführung und damit auch von der Fortsetzung bestehender Arbeitsverhältnisse auszugehen sei. Eine korrekte Abgrenzung der Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer (und ihr folgend eine zutreffende Zuordnung zur richtigen Periode) sei nur zu erreichen, wenn das tatsächliche Jahresgehalt durch die Zahl der tatsächlich vom Arbeitnehmer zu erbringenden Jahresarbeitstage dividiert werde. Hierfür sei im Jahresabschluss vereinfachend –unter Berücksichtigung von durchschnittlich 30 gewährten Jahresurlaubstagen sowie Feiertagen und Wochenenden–von 220 tatsächlich zu erbringenden Arbeitstagen auszugehen. Dies habe die Klägerin in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2002 auch getan. Bei Verwendung eines Divisors von 250 Arbeitstagen komme es zu Fehlern bei der Aufwandsabgrenzung, da sich der Gehaltsaufwand auch dann verschieben könne, wenn es zu keinerlei Veränderungen bei der Gehaltshöhe gekommen sei. Die vom Finanzamt angewandte Berechnungsmethode auf Basis der regulären Arbeitstage verletze daher die tragenden handelsbilanziellen Grundsätze des § 252 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4 und Nr. 5 HGB.
Die Klägerin beantragt,
- die angefochtenen Bescheide über Körperschaftsteuer 2002 und über den Gewerbesteuermessbetrag 2002 vom 15. No...