rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsteuer für Haftung bei Nichtvorlage der Steuerkarte
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitgeber keine Lohnversteuerung vorgenommen, so ist bei Nichtvorlage der Lohnsteuerkarte die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI zu ermitteln. Dies gilt auch für einen Haftungsbescheid, der nach Ablauf des Kalenderjahres ergeht und für beschränkt Steuerpflichtige, die eine Bescheinigung nach § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG nicht vorlegen.
Normenkette
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, § 39d Abs. 1 S. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Kläger in zutreffender Höhe für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag in Haftung genommen wurde.
Der Kläger erbrachte zumindest im Zeitraum März 2005 bis einschließlich Dezember 2008 fortlaufend Dienstleistungen durch bei ihm angestellte überwiegend polnische Arbeitnehmer. Sein Unternehmen war weder steuerlich erfasst, noch gab der Kläger Lohnsteueranmeldungen oder Anmeldungen zur Sozialversicherung für die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer ab. Er wurde mit Urteil des Amtsgerichts München (rechtskräftig seit 28. Juni 2010; Blatt 39 ff. der Klageakte) wegen Vorenthaltung und Veruntreuung von Arbeitsentgelt im Zusammenhang mit den nicht angemeldeten und abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen, sowie wegen Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und darüber hinaus zu einer Geldstrafe von 500 Tagessätzen verurteilt. Ausweislich des Strafurteils war der Kläger in vollem Umfang geständig. Grundlage der Berechnung der Lohnzahlungen war laut Strafurteil eine vom Rechtsanwalt des Angeklagten übergebene Lohnliste mit Auszahlungsbeträgen. Insgesamt betrugen die ausgezahlten Löhne im Streitzeitraum 364.983,61 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf das Strafurteil verwiesen.
Da für die Beschäftigten weder Lohnsteuerkarten noch Freistellungsbescheinigungen vorlagen, führte der Fahndungsprüfer die Versteuerung der Löhne wie folgt durch: Er legte den Auszahlungsbetrag je Arbeitnehmer und Monat als Bruttolohn zugrunde und berechnete hieraus mit einem Lohnsteuerberechnungsprogramm unter Anwendung der Steuerklasse VI und der allgemeinen Tabelle für jeden Beschäftigten und jeden Monat die hierauf entfallende Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag. Diese Beträge summierte er auf Monatssummen und Jahressummen auf. Für den Zeitraum März 2005 bis Dezember 2008 errechnete sich eine Lohnsteuer von insgesamt rd. 55.919 EUR und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer von rd. 1.415 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Steuerfahndungsbericht vom 14. August 2009 und die Beweismittelakten Bände II und III verwiesen.
Der Beklagte – das Finanzamt (FA) – nahm den Kläger unter Zugrundelegung des Fahndungsergebnisses für Lohnsteuer in Höhe von 55.916 EUR und Solidaritätszuschlag hierzu in Höhe von 1.412,99 EUR nach § 42d Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Haftung (Haftungsbescheid vom 12. Oktober 2009).
Den Einspruch des Klägers hat das FA mit Einspruchsentscheidung vom 3. August 2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Klage, die der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet: Das FA habe bei der Schätzung der Lohnsteuer nicht berücksichtigt, dass die monatlichen Bezüge der Arbeitnehmer in der Regel zum Teil erheblich unter 900,00 EUR im Monat gelegen hätten und die Lohnsteuer nach Lohnsteuerklasse I abzurechnen gewesen wäre. Bei einer Berechnung nach Maßgabe der Klasse I ergebe sich nach seinen Berechnungen keine Lohnsteuer.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 12. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. August 2010 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Finanzamt hat die Haftungsbeträge in zutreffender Höhe ermittelt.
Da Einwendungen gegen die Haftungsinanspruchnahme als solche nicht erhoben werden und auch keine Fehler insoweit ersichtlich sind, braucht sich das Gericht lediglich mit dem Einwand des Klägers auseinander zu setzen, die Lohnsteuer sei in unzutreffender Höhe ermittelt worden.
Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, ist die der Haftung nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde gelegte Lohnsteuer auch dann nach der Steuerklasse VI zu bemessen, wenn weder eine Lohnsteuerkarte vorgelegt worden ist noch der Arbeitgeber überhaupt eine Lohnversteuerung vorgenommen hat (BFH-Urteile vom 18. September 2012 VI B 9/12, BFH/NV 2012, 1961; vom 12. Januar 2001 VI R 102/98, BFHE 194, 372, BStBl II 2003, 151; vom 29. Juli 2009 VI B 99/08, BFH/NV 2009, 1809). Dies gilt auch für einen Haftungsbescheid, der nach Ablauf des Kalenderjahres ergeht und für beschränkt Ste...