Entscheidungsstichwort (Thema)
Behandlung missglückter offener Gewinnausschüttungen i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG. Körperschaftsteuer 1993
Leitsatz (amtlich)
1. Wird mit einem Gewinnverteilungsbeschluss vereinbart einen über dem Saldo aus Jahresüberschuss/-fehlbetrag und Gewinn- oder Verlustvorträgen liegenden Betrag auszuschütten, so dass unter Verstoß gegen § 30 GmbHG auch das Stammkapital der Gesellschaft angegriffen oder sogar verbraucht werden würde, kann der Beschluss in sinngemäßer Anwendung des § 139 BGB in einen den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG und einen Beschluss über eine andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG aufgeteilt werden.
2. Fehlen Anhaltspunkte, welchem Wirtschaftsjahr eine offene Gewinnausschüttung zuzuordnen ist, ist davon auszugehen, dass sich der Gewinnverteilungsbeschluss regelmäßig auf die Verwendung der Vorjahresgewinne beziehen soll.
Normenkette
KStG 1991 § 27 Abs. 3 Sätze 1-2; BGB § 139; KStG 1991 § 30 Abs. 1 Nr. 1; GmbHG §§ 30, 32a a.F.
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 1997 und des Ablehnungsbescheids vom 14. April 1997 wird der Beklagte verpflichtet, unter Änderung des Körperschaftsteuer-Bescheids 1993 vom 7. August 1995 die Körperschaftsteuer 1993 in Höhe von ./. 195.784 DM festzusetzen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 6/10 und der Beklagte zu 4/10.
3. Die Entscheidung ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht die Änderung des Körperschaftsteuer-KSt-Bescheids 1993 vom 7. August 1995 und Vornahme einer Minderung der KSt 1993 wegen Herstellung der Ausschüttungsbelastung aufgrund des Gewinnverteilungsbeschlusses der Gesellschafter der Klägerin vom 15. Juni 1994 und seiner Klarstellung vom 22. Juni 1994 abgelehnt hat.
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, wurde 1947 gegründet. Sie hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das jeweils am 30. Juni endet. Ihr Stammkapital betrug im Streitjahr 60.000 DM. In der Bilanz zum 30. Juni 1993 vom 1. Oktober 1993 war das übrige Eigenkapital wie folgt ausgewiesen:
Gewinnrücklagen |
840.036,27 DM |
Gewinnvortrag |
304.327,73 DM |
Jahresfehlbetrag |
617.253,20 DM |
In der Gesellschafterversammlung am 15. Juni 1994 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin einstimmig, den gesamten „unter der Bezeichnung EK 56 in der Bilanz eingestellte(n) Gewinn in Höhe von 1.321.979 DM in vollem Umfang an die Gesellschafter zu ihren satzungsmäßigen Anteilen” auszuschütten. Gleichzeitig verpflichteten sich die Gesellschafter, den ausgeschütteten Gewinn nach Abzug der persönlichen Steuern der Klägerin als Darlehen wieder zur Verfügung zu stellen (Schütt aus-Hol Zurück-Verfahren).
In einer weiteren Gesellschafterversammlung am 22. Juni 1994 formulierten die Gesellschafter in Form eines Nachtrags zur Klarstellung des Protokolls vom 15. Juni 1994, daß „der gesamte unter der Bezeichnung EK 56 in der Bilanz eingestellte Gewinn mit dem verwendbaren Eigenkapital zum 30. Juni 1993 verrechnet” werden solle. Die Ausschüttung wurde noch im Juni 1994 an die Gesellschafter vorgenommen.
Der Beklagte (Finanzamt) behandelte diese Gewinnausschüttung als andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und minderte die KSt im Jahre 1994 als dem Jahr, in dem das Wirtschaftsjahr der Klägerin endete, in dem die Ausschüttung erfolgt war (KSt-Bescheid 1994 vom 7. August 1995).
Die Klägerin wandte sich gegen diese Sachbehandlung zunächst vergeblich mit dem Einspruch, dann mit der Klage. Diese wurde nach Erörterung des Sach- und Rechtsstandes mit Schriftsatz vom 12. Mai 1997 zurückgenommen.
Bereits am 9. April 1997 hatte die Klägerin beim Finanzamt die Änderung des KSt-Bescheids 1993 vom 7. August 1995 wegen Minderung der KSt aufgrund des Gewinnverteilungsbeschlusses vom 15. Juni 1994 mit Nachtrag vom 22. Juni 1994 für das Wirtschaftsjahr 1992/1993 beantragt.
Nach Ablehnung dieses Antrags und erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung – EE – vom 2. Juli 1997) richtet sich dagegen die am 1. August 1997 bei Gericht eingegangene Klage, mit der begehrt wird,
unter Aufhebung der EE vom 2. Juli 1997 das Finanzamt zu verpflichten, den KSt-Bescheid 1993 vom 7. August 1995 dahingehend zu ändern, daß die KSt 1993 unter Berücksichtigung ihrer Minderung gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG wegen einer Gewinnausschüttung für das Wirtschaftsjahr 1992/1993 in Höhe von 1.321.979 DM festgesetzt wird.
Zur Begründung läßt die Klägerin vortragen, bei dem Gesellschafterbeschluß vom 15. Juni 1994 mit Nachtrag vom 22...