Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilung der Tätigkeit eines Systemanalytikers als ingenieursähnliche Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Diplom-Informatiker kann eine dem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ausüben.
2. Eine Tätigkeit als Ingenieur zeichnet sich dadurch aus, dass sie durch die Wahrnehmung von für den Ingenieurberuf typischen Aufgaben geprägt wird. Welche Aufgaben für den Beruf des Ingenieurs typisch sind, bestimmt sich nach der Verkehrsanschauung.
3. Im Streitfall liegt keine Tätigkeit vor, die der Tätigkeit, die von Diplom-Informatikern oder Diplom-Ingenieuren ausgeübt wird, ähnlich ist, wenn sich der Kläger mit der Pflege von Entwicklungsumgebungen, der Beratung von Benutzern, dem Support und der Erstellung von Perl-Skripten beschäftigt hat. Das gilt auch bei Mitarbeit an einem komplexen IT-Projekt; denn allein aus der Mitarbeit an einem komplexen Projekt kann nicht geschlossen werden, dass die Tätigkeit des Klägers eine ingenieursähnliche Tätigkeit war.
4. Das FG kann seine Überzeugung auf Grund eines Sachverständigengutachtens gewinnen. Der erkennende Senat muss hierzu sein Urteil auf die Bewertung von Tatfragen durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen stützen, die es dem Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vorgegeben hat (§ 82 FGO i. V. m. § 404a Abs. 3 ZPO).
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 1; FGO § 82; ZPO § 386 ff., § 404a
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Gewerbebetrieb betreibt.
I.
Der Kläger absolvierte nach seinem Abitur [… in Bayern …] ein Vorbereitungsstudium am Studienkolleg bei den wissenschaftlichen Hochschulen des Freistaates Bayern. Nach einem Studium des Faches „Deutsch als Fremdsprache” an der […] XXX-Universität in [… Bayern], das er ohne Abschluss […] beendete, absolvierte er eine Ausbildung zum Mediendesigner und -analytiker am [… XXX-Institut] in [… Bayern], die er erfolgreich im Jahr 1993 abschloss. Seit diesem Zeitpunkt ist der Kläger beruflich im Bereich der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV) bei verschiedenen Firmen tätig. In der Folgezeit absolvierte der Kläger auch verschiedene Fortbildungsveranstaltungen im EDV-Sektor, die in der Summe 14 Ausbildungstage umfassten und sich ausschließlich mit Softwareprodukten der Hersteller […] beschäftigten. Außerdem bildete er sich im Selbststudium fort.
In den Streitjahren war der Kläger ab Mai 2001 für die Firma [… AA-GmbH] tätig und arbeitete im Zeitraum von Mai 2001 bis einschließlich Dezember 2004 für deren Kunden, die [… TT AG], am Projekt [… Missing Link] in der Entwicklungsabteilung. Davor arbeitete er bis Mai 2001 bei der Firma [… ZZ GmbH] im Rechenzentrum. Die Aufgaben des Klägers bei der AA-GmbH bestanden in Konfigurationsmanagement, Entwickler-Support, Implementierung der Entwicklungsumgebung, Projektmanagement, Test, Softwareproduktionsbetreuung, Produktionsübergabe, Durchführung von Schulungen und der Konzeption.
Der Kläger erklärte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2001 bis 2004 aus dieser Tätigkeit – die er als Systemanalytiker bzw. IT-Development bezeichnete – Einkünfte aus selbständiger Arbeit, da er der Auffassung war, dass seine Tätigkeit als Entwickler für System-Software dem Bereich der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen sei. Er ermittelte seinen Gewinn nach Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz in der Fassung der Streitjahre (EStG).
Das zuvor örtlich zuständige Finanzamt [… N-Stadt] und der Beklagte – das Finanzamt (FA) – folgten der Rechtsauffassung des Klägers, dass er Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erziele, nicht und behandelten die Gewinne für 2001 von 129.500 DM, für 2002 von 102.715 EUR, für 2003 von 75.199 EUR und für 2004 von 63.377 EUR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die beiden Finanzämter erließen entsprechende Bescheide über Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2001 bis 2004 (Bescheide für 2001 und 2002 vom 31. Mai 2005, für 2003 vom 2. Juni 2005 des Finanzamts […] N-Stadt und Bescheid für 2004 vom 17. März 2006 des FA). Die dagegen erhobenen Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 25. April 2008 als unbegründet zurück. In seiner Einspruchsentscheidung ging das FA davon aus, dass bisher eine Gewerbesteuerrückstellung nicht berücksichtigt worden sei und die Gewinne aus Gewerbebetrieb deshalb 124.798 DM im Jahr 2001, 95.714 EUR im Jahr 2002, 71.652 EUR im Jahr 2003 und 61.158 EUR im Jahr 2004 betragen würden […]. Mit Bescheiden von 21. Mai 2008 hat das FA die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 2001, 2002 und 2003 nochmals geändert und im Hinblick auf vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und dem Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren für vorläufig gemäß § 165 Abgabenordnung (AO) erklärt, ohne den Gewinn zu ändern.
Mit seiner Klage wend...