rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist bei unterbliebener Anhörung und fehlerhafter Begründung des Steuerbescheids
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine vor Erlass des von der Steuererklärung abweichenden Steuerbescheids unterbliebene Anhörung des Steuerpflichtigen begründet keinen Wiedereinsetzungsgrund, wenn die unterbliebene Anhörung für die Versäumung der Einspruchsfrist nicht ursächlich geworden ist. Von fehlender Ursächlichkeit ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige im Bescheid auf die Gründe der Änderung hingewiesen wurde und dadurch Gelegenheit erhalten hat, sich innerhalb der Rechtsbehelfsfrist gegen diese Änderung und die ihr zugrundeliegende Rechtsansicht des FA zu wenden.
2. Ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt sich auch nicht aus einer rechtsfehlerhaften Begründung des Steuerbescheids. Die Versäumung der Einspruchsfrist gilt nach § 126 Abs. 3 S. 1 AO nur als nicht verschuldet, wenn einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung fehlt. Auch eine unzutreffende Begründung eines Verwaltungsaktes ist als solche eine Begründung i. S. d. § 121 AO; sie kann nicht einer fehlenden Begründung gleichgestellt werden.
Normenkette
AO § 355 Abs. 1, § 110 Abs. 1 S. 1, § 126 Abs. 3 S. 1, § 121 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger (Kl) erzielte im Streitjahr u.a. gewerbliche Einkünfte aus einem Maler/Lackiererbetrieb. Mit Vertrag vom 31.12.2005 veräußerte der Kl seinen Betrieb für 10.800 EUR. In seiner Einkommensteuer(ESt)erklärung gab der Kl einen laufenden Verlust in Höhe von 3.639 EUR und einen begünstigt zu versteuernden Veräußerungsgewinn in Höhe von 32.557 EUR an.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) forderte mit Schreiben vom 07.03.2007 eine Kopie des Veräußerungsvertrags und eine Erläuterung zur Ermittlung des Entnahmewerts eines Pkw an. Von der Steuererklärung des Kl wich es sodann ab. Es setzte einen laufenden Gewinn in Höhe von 18.471 EUR und einen begünstigten Veräußerungsgewinn in Höhe von 10.446 EUR an. Die ESt wurde mit Bescheid vom 29.03.2007 auf 3.546 EUR festgesetzt. In den Erläuterungen des Bescheids wies das FA darauf hin, dass der im Wirtschaftsjahr der Betriebsveräußerung entstehende Gewinn aus der Auflösung von Rücklagen nicht zum Veräußerungsgewinn gehöre. Deshalb sei der laufende Gewinn um 22.110,40 EUR erhöht und der Veräußerungsgewinnentsprechend gemindert worden. Der Bescheid wurde mangels erteilter Empfangsvollmachtdem Kl persönlich bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 17.12.2007 beantragte der steuerliche Berater des Kl, den Bescheid entsprechend der eingereichten Steuererklärung abzuändern. Zur Begründung verwies er darauf, dass der Kl ihm den Bescheid erst am 10.12.2007 zur Prüfung vorgelegt habe. Die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist könne jedoch nicht als verschuldet angesehen werden, weildie erforderliche Anhörung des Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben sei.
Mit Bescheid vom 20.02.2008 lehnte das FA eine Änderung des ESt-Bescheids ab. Denhiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 22.07.2008 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgerecht eingereichte Klage. Zu deren Begründung wird im Wesentlichen Folgendes geltend gemacht: Das FA hätte auf die beabsichtigte Änderung hinwiesen müssen, da insoweit erheblich von der Steuererklärung abgewichen werden sollte. Insofern sei nicht nachvollziehbar, warum das FA, obwohl es vor Erlass des ESt-Bescheids mit Schreiben vom 07.03.2007 eine Anfrage an den Klägervertreter gestellt habe, nicht auch aufdie beabsichtigte Abweichung von der Steuererklärung hingewiesen habe.
Der Kl beantragt,
das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 20.02.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2008 zu verpflichten, den ESt-Bescheid 2005 vom 29.03.2007 dahingehend abzuändern, dass die ESt auf 0 EUR herabgesetzt wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf die Gründe der Einspruchsentscheidung.Danach sei eine unterbliebene Anhörung für die Versäumung der Einspruchsfrist nicht ursächlich, wenn der Steuerpflichtige im Bescheid auf die Gründe der Änderung hingewiesenwurde.
Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22.07.2009 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 6 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Hinsichtlich des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Änderung des bestandskräftigen ESt-Bescheids liegen nicht vor.
1. Der ESt-Bescheid vom 29.03.2007 ist mangels Wahrung der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden (zur Bestandskraft als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der Änderungsvorschriften vgl. v.Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 172 Abgabenordnung Rn. 37 mwN).
Gemäß § 355 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts einzulegen. Im vorlieg...