rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Erlass von Aussetzungszinsen wegen langer Verfahrensdauer
Leitsatz (redaktionell)
Auch wenn eine angemessene Verfahrensdauer ohne Zutun des Steuerpflichtigen überschritten wird, gebietet dies nicht den Erlass von Aussetzungszinsen.
Normenkette
AO § 237 Abs. 4, § 234 Abs. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob Aussetzungszinsen aus Billigkeitsgründen zu erlassen sind.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte die Einkommensteuer (ESt) 2000 mit Bescheid vom 31. Januar 2003 unter Abweichung von den erklärten Beträgen fest, wogegen der Kläger mit Schreiben vom 19. Februar 2003 Einspruch erhob und Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragte. Mit Bescheid vom 12. März 2003 gewährte das FA die Aussetzung in Höhe eines Betrages von 37.403,05 EUR. Im Einspruchsverfahren tauschten die Beteiligten umfangreiche Schriftsätze über die streitigen Punkte aus. Im Zuge der Einigung von FA und Kläger setzte das FA mit ESt-Bescheid vom 27. Juni 2007 die ESt für 2000 auf 14.000,20 EUR herab.
Nach dessen Bestandskraft setzte es mit Bescheid vom 2. August 2007 Aussetzungszinsen in Höhe eines Betrags von 3.673 EUR fest. Mit Schreiben vom 22. August 2007 beantragte der Kläger den Erlass dieser Zinsen, was das FA mit Bescheid vom 26. September 2007 ebenso ablehnte wie den Einspruch mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 30. Januar 2008.
Seine Klage begründet der Kläger wie schon seinen Einspruch damit, dass die Zinsfestsetzung sachlich unbillig sei, weil die lange Verfahrensdauer auf der zögerlichen Bearbeitung des FA beruhe.
Der Kläger beantragt,
das FA zu verpflichten die mit Bescheid vom 2. August 2007 festgesetzten Aussetzungszinsen in Höhe von 3.673 EUR zu erlassen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bezieht sich auf die EE, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist unbegründet.
Das FA hat den Erlass der Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2000 ermessensfehlerfrei abgelehnt.
1. Gemäß § 237 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit § 234 Abs. 2 AO kann auf Aussetzungszinsen verzichtet werden, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Diese Regelung geht der Erlassvorschrift des § 227 AO vor. Die Voraussetzungen für den Zinsverzicht entsprechen aber den Erlassvoraussetzungen des § 227 AO (Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 20. November 1987 VI R 140/84, BStBl II 1988, 402). Die Entscheidung über einen Erlassantrag aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung. Die richterliche Prüfungskompetenz bei Ermessensentscheidungen unterliegt den Beschränkungen des § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO). Danach darf das Gericht nur überprüfen, ob die Ablehnung eines Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Für die gerichtliche Nachprüfung sind die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letztinstanzlichen Verwaltungsentscheidung maßgeblich (BFH-Beschluss vom 13. März 1990 VII S 3/90, BFH/NV 1991, 171).
Die Unbilligkeit der Ansprüche kann in der Sache selbst oder in der Person des Steuerpflichtigen begründet sein. Im Streitfall kommen allenfalls sachliche Gründe in Betracht.
Ein Zinserlass wegen sachlicher Unbilligkeit ist zu gewähren, wenn die unter den Tatbestand des § 237 AO fallende Erhebung der Zinsen den Wertungen des Gesetzes derart zuwiderläuft, dass deren Einziehung offensichtlich unbillig erscheinen muss (BFH-Urteil vom 26. Januar 1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695).
Zweck des § 237 AO ist zum einen, zu verhindern, dass durch Anfechtungsklagen ohne ernsthafte Erfolgsaussichten, verbunden mit einer dennoch erlangten Aussetzung der Vollziehung, die Abgabenentrichtung zinslos gestundet wird. Zum anderen sollen der Zinsnachteil des Steuergläubigers, der den Abgabenbetrag nicht schon bei Fälligkeit, sondern erst nach Beendigung der Aussetzung der Vollziehung erhält, und der Zinsvorteil des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden. Auch soll eine Besserstellung gegenüber denjenigen, die ihre Steuern bei Fälligkeit bezahlen, verhindert werden.
Diese Zwecke behalten auch in den Fällen ihre Berechtigung, in denen ohne Zutun des Steuerpflichtigen eine angemessene Verfahrensdauer überschritten wird (so schon BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 V R 105/84, BStBl II 1991, 498).
Der BFH hat in seinem Urteil in BStBl II 1991, 498 entschieden, dass bei einer nicht rechtzeitigen Rechtsschutzgewährung nur eine Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheides, jedoch kein Erlass von Aussetzungszinsen in Betracht komme. Er hat ferner im Urteil vom 8. September 1993 I R 30/93 (BFHE 172, 304, BStBl II 1994, 81) entschieden, dass der Grundsatz von Treu und Glauben einer Festsetzung von Nachforderungszinsen...