Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Aussetzungszinsen wegen sachlicher Unbilligkeit. Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1987, 1988, 1990
Leitsatz (redaktionell)
1. Sachlich unbillig ist die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis vor allem dann, wenn sie im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zu Grunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwider läuft.
2. Zweck der Erhebung von Aussetzungszinsen ist zum einen, zu verhindern, dass die Abgabenentrichtung bei im Ergebnis erfolglosen Anfechtungsklagen zinslos hinausgeschoben werden kann. Zum anderen sollen der Zinsnachteil des Steuergläubigers und der Zinsvorteil des Steuerpflichtigen ausgeglichen werden.
3. Eine Verrechnungsstundung ist zu gewähren, wenn aufgrund eines einheitlichen Sachverhaltskomplexes für einige Steuererstattungen, für andere aber Steuernachzahlungen anfallen.
4. Nach dem Sinn und Zweck der pauschal zu erhebenden Aussetzungszinsen können Gesichtspunkte der Kaufkraftentwicklung im Vergleich zur Höhe der gesetzlich vorgesehenen Verzinsung nicht durchgreifen. Es gilt das Nominalwertprinzip.
5. Die Laufzeit von Aussetzungszinsen ist nicht im Hinblick auf § 233a AO a.F. auf vier Jahre zu begrenzen.
Normenkette
AO 1977 § 237 Abs. 3, § 234 Abs. 2, § 233a Abs. 2, §§ 227, 5, 361; FGO § 102
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 1987, 1988 und 1990 herabzusetzen sind, weil ihre Festsetzung unbillig im Sinne der §§ 237, 234 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) ist.
I.
Die Kläger erzielten in den Streitjahren beide jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb, nicht-selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen und Vermietung und Verpachtung. Sie werden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.
Den Aussetzungszinsen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger beantragten zunächst am 08.03.1991 Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 1987 und 1988 wegen der strittigen Einordnung von Kosten des vermieteten Objekts … (historischer Bauernhof), als Anschaffungskosten bzw. als sofort abzugsfähige Werbungskosten sowie der Aufteilung der Anschaffungskosten auf Grund und Boden bzw. Gebäude. Das Finanzamt setzte mit Verfügung vom 25.03.1991 die Einkommensteuernachzahlung 1987 in Höhe von 24.069 DM sowie die Einkommensteuernachzahlung 1988 in Höhe von 56.972 DM von der Vollziehung aus und wies auf die Zinspflicht nach § 237 AO hin. Nachdem hierzu im Laufe des Jahres 1998 ein Gutachten durch die Oberfinanzdirektion München erstellt worden war, erklärte sich der Klägervertreter mit Schreiben vom 20.09.1999 mit der für die Streitjahre vorgeschlagenen Aufteilung einverstanden und beantragte die entsprechenden Abschreibungsbeträge gemäß §§ 7 Abs. 4 und 5 EStG und § 82a EStDV. Daraufhin ergingen am 14.01.2000 geänderte Einkommensteuerbescheide 1987 (verbleibende ESt-Schuld 21.323 DM) und 1988 (verbleibende ESt-Schuld 48.384 DM).
Ferner erhoben die Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1992 am 03.05.1995 Einspruch und beantragten erstmals die Gewährung der erhöhten Abschreibung nach § 7i EStG. Das Finanzamt gewährte mit Verfügungen vom 21.12.1995 Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 1989, 1990 und 1992. Für 1991 war die Einkommensteuer mit 0 DM festgesetzt worden. Mit Fax vom 15.07.1999 übersandte der Klägervertreter dem Finanzamt eine Bescheinigung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 12.07.1999, nach der Aufwendungen im Sinne des § 7i EStG in Höhe von 1.880.818,89 DM getätigt worden waren. Mit Schriftsatz vom 21.09.1999 führte er aus, die Aufwendungen seien überwiegend im Jahr 1991 angefallen, weshalb er die AfA nach § 7i EStG ab dem Jahr 1991 beantrage.
Der Ansatz der erhöhten Abschreibung führte auch für die Veranlagungszeiträume 1989, 1990, 1992 und 1993 zu geänderten Einkommensteuerbescheiden jeweils vom 14.01.2000. Für 1989 und 1990 wurde der Einspruch nach vollständigem bzw. teilweisem Verlustrücktrag aus dem Jahr 1991 zurückgenommen. Die Steuerfestsetzung für 1991 verblieb bei 0 DM. Folgende Erstattungen wurden verrechnet:
- * ESt 1989 Erstattung 12.850 DM mit ESt 1987
- * Erstattungszinsen zur ESt 1989 3.056 DM mit ESt 1987
- * Arbeitnehmersparzulage 1989 163 DM mit ESt 1988
- * ESt 1992 Erstattung 8.026 DM mit ESt 1987 in Höhe von 5.417 DM und ESt 1988 in Höhe von 2.609 DM
- * Erstattungszinsen zur ESt 1992 1.751 DM mit ESt 1988
- * Solidaritätszuschlag zur ESt 1992 300,97 DM mit ESt 1988
- * ESt 1993 Erstattung 3.828 DM mit ESt 1988
- * Erstattungszinsen zur ESt 1993 858 DM mit ESt 1988.
- * Ferner wurde Einkommensteuererstattung 1998 (Erklärungseingang 10.02.2000) in Höhe von 38.874,03 DM auf den Nachzahlungsbetrag für Einkommensteuer 1988 und in Höhe von 4.078 DM auf die verbliebene Einkommensteuer 1990 verrechnet.
Das Finanzamt setzte zunächst mit Bescheid vom 08.08.2000 Aussetzungszinsen fest.
Mit ihrem Einspruch beantragten die Kläger den teilweis...