Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurechnung von Einkünften aus Gewerbebtrieb und Feststellungslast im Verhältnis Kläger, Beigeladener und FA
Leitsatz (redaktionell)
1. Aus dem Gebrauchmachen des Zeugnisverweigerungsrechts dürfen keine Schlüsse zum Nachteil der Partei gezogen werden, zu der der Zeuge in einer Beziehung gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AO steht.
2. Tonbandaufzeichnungen sind als Augenscheinobjekte grundsätzlich nur verwertbar, wenn sie mit Kenntnis des Gesprächspartners gemacht sind; fehlt es an dieser Kenntnis des Gesprächspartners bei der Aufnahme gilt dies nur, wenn er später sein Einverständnis hierzu erklärt. Dieser Grundsatz gilt auch, wenn das Vorspielen eines Tondokumentes als Aussage erleichternde Unterlage (§ 82 FGO i.V.m. § 378 ZPO) für den Zeugen verwendet wird.
3. Bei den selbstständig und mit Gewinnerzielungsabsicht vermittelten Verkäufen einer sehr großen Anzahl von Aktien (11 Transaktionen über ca. 900.000 Aktien in vier Monaten) handelt es sich nicht um gelegentliche Vermittlungsgeschäfte, die als sonstige Einkünfte zu behandeln sind, sondern um Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
4. Kann eine vom Steuerpflichtigen getroffene Wahl für die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nicht festgestellt werden, muss das FA den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Vermögensvergleich ermitteln, gleichgültig wie auch immer die Buchführung beschaffen ist.
5. Provisionsforderungen sind in den Vermögensvergleich einzubeziehen, sobald das vermittelte Geschäft rechtswirksam zustande gekommen ist.
6. Das FA trägt grundsätzlich die Feststellungslast für Tatsachen, die den Steueranspruch begründen.
7. Will ein Kläger beweisen, dass der Beigeladene Forderungen erworben hat, ist das Entstehen dieser Forderungen eine Tatsache, die den Steueranspruch gegenüber dem Beigeladenen begründet. Demgemäß geht die Nichterweislichkeit dieser Tatsache zu Lasten des FA und – dies ist der Eigentümlichkeit der Konstellation – zu Lasten eines Klägers, der erreichen will, dass sich die Steuerschuld des Beigeladenen erhöht.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3, § 4 Abs. 1, 4; AO § 174 Abs. 5, § 15 Abs. 1; FGO § 60 Abs. 3, §§ 82, 84, 96, 76; ZPO §§ 383, 378
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte – das Finanzamt (FA) – bei dem Dritten […] (dem Beigeladenen) im Streitjahr Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigen muss.
I.
Die Streitsache befindet sich im zweiten Rechtsgang.
Der Beigeladene war Vorstandsvorsitzender der […] (S-AG). [… Mitte des Jahres] 2000 trat er von seinem Amt als Vorstandsvorsitzender zurück. Der Beigeladene und seine zwischenzeitlich von ihm geschiedene Ehefrau […] (RS) wurden aufgrund ihres Antrages vom 8. Januar 2002 für das Jahr 2000 getrennt veranlagt. Der Beigeladene teilte dem FA mit, dass eine Erstellung der Einkommensteuererklärung für 2000 nicht möglich sei, da diverse Unterlagen von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt seien.
Das FA erhielt Ende des Jahres 2001 Informationen, dass der Beigeladene für die Vermittlung von Verkäufen von Aktien der S-AG Provisionen in nicht unerheblicher Höhe erhalten habe. Die Provisionen habe er von dem Kläger erhalten, der zu diesem Zeitpunkt bei der [… (S-Bank)] als Analyst für IT-Firmen […] angestellt gewesen war. Dort war er bis zu seinem Ausscheiden [… Ende 2000] u.a. für die Beobachtung und Bewertung der S-AG zuständig gewesen. Das FA schätzte deshalb gegenüber dem Beigeladenen zuerst im Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für das vierte Vierteljahr 2000 vom 11. Februar 2002 und danach ebenso im Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 5. Juli 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 500.000 DM.
Zur Begründung des gegen diese Steuerbescheide erhobenen Einspruchs trug der Beigeladene vor, dass der Kläger im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren behauptet habe, dass Provisionen für ihn vorgesehen gewesen seien. In den Akten der Staatsanwaltschaft befänden sich aber keine Unterlagen, die beweisen würden, dass die Gelder vom Kläger an ihn auch ausbezahlt worden seien. Das FA zog darauf den Kläger zum Einspruchsverfahren des Beigeladenen gemäß § 174 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) hinzu. Der Kläger trug in diesem Einspruchsverfahren vor, dass er zusammen mit dem Beigeladenen und […] (FV) in der Zeit von Januar 2000 bis Mai 2000 elf Verkäufe von großen Aktienpaketen von Aktien der S-AG erfolgreich vermittelt habe. Er und der Beigeladene hätten für die Vermittlungen insgesamt 2.184.784,36 DM erhalten, die auf Veranlassung von FV auf das Konto von […] (KF) überwiesen worden seien. KF habe dafür eine Gegenleistung von 20.000 DM erhalten. Er habe Provisionen in Höhe von 1.590.344 DM und der Beigeladene habe Provisionen in Höhe von 574.440 DM […] erhalten. Die Provisionen seien vom Kläger an den Beigeladenen bei drei Treffen übergeben worden und zwar 214.000 DM am 8. Februar 2000, 290.4...