Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei Einspruch gegen den Steuerbescheid erstreckt sich der Prüfungsumfang bzw. die Prüfungspflicht von Hauptzollamt und Finanzgericht nicht auch auf Erlassgründe nach den Art. 236-239 ZK. Zoll. Tabaksteuer. Einfuhrumsatzsteuer (Untätigkeitsklage)
Leitsatz (redaktionell)
Streitgegenstand eines Rechtsbehelfs gegen die Festsetzung von Einfuhrabgaben ist allein der Steuerbescheid, nicht aber eine einen Erlassantrag ablehnende Entscheidung des Hauptzollamts. Dieses oder das Finanzgericht sind daher nicht gehalten, im Rahmen des Rechtsbehelfs- oder Klageverfahrens gegen den Steuerbescheid das Vorliegen möglicher Erlassgründe nach Art. 236 bis 239 ZK zu prüfen, denn das Erstattungs- oder Erlassverfahren wird unabhängig davon durchgeführt, ob ein Rechtsbehelf gegen den Abgabenbescheid vorliegt, oder ob dieser bestandskräftig geworden ist.
Normenkette
EWGV 2913/92 Art. 236-239, 243 Abs. 2; ZK Art. 236-239, 243 Abs. 2; AO 1977 § 367 Abs. 2 S. 1, § 365 Abs. 1, § 88
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin rechtzeitig einen Erlassantrag gestellt hat.
Das beklagte Hauptzollamt -HZA- setzte gegenüber der Klägerin mit Steuerbescheid vom 22. Juni 1994 Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt 2.074.051,60 DM (253.836,99 DM Zoll, 289.344,72 DM Einfuhrumsatzsteuer und 1.530.870 DM Tabaksteuer) fest. Die Klägerin wurde als Hauptverpflichtete in Anspruch genommen, weil das in ihrem Namen am 24. April 1992 beim Zollamt Z/Niederlande für 11 Mio. Zigaretten eröffnete gemeinschaftliche Versandverfahren (Versandschein T 1 Nr. 44.10888) nicht ordnungsgemäß erledigt wurde. Das HZA ging dabei aufgrund der Verurteilung des am streitgegenständlichen Transport beteiligten H von folgendem Sachverhalt aus (vgl. Urteil des Landgerichts vom 23. September 1993): Am 24. April 1992 begab sich der Angeklagte (H) nach Z//Niederlande, wo er die Zigaretten in seinen Auflieger laden ließ und das Zollamt Z das Versandverfahren mit dem T 1-Papier Nr. 44.10888 mit der Bestimmungszollstelle Frankfurt/Oder eröffnete. H brachte die unverzollten und unversteuerten Zigaretten nach Berlin. Dort händigte er die entsprechenden Zollpapiere einem Dritten aus. Seinen Trailer sattelte er ab. Dieser wurde ihm nach einigen Stunden wieder übergeben. Die Verschlüsse waren aufgebrochen, der Auflieger war leer. Die Papiere erhielt der Angeklagte später mit dem Ausfuhrvermerk der in Pomellen tätigen, bestochenen Zöllner zurück. Die Zigaretten blieben im Zollgebiet und wurden, entgegen der Eintragungen im Versandpapier, nicht in ein Drittland ausgeführt.
Mit Schreiben vom 22. Juli 1994 legte die Klägerin gegen den Steuerbescheid vom 22. Juni 1994 Einspruch ein, der durch die Einspruchsentscheidung vom 24. März 1997 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Nach Klageerhebung setzte das HZA die Einfuhrabgaben mit Steueränderungsbescheid vom 27. Juni 2001 auf insgesamt 1.683.291,39 DM (5.114,77 DM Zoll, 241.356,62 DM Einfuhrumsatzsteuer und 1.436.820 DM Tabaksteuer) herab, weil die streitgegenständlichen Zigaretten im Rahmen einer aktiven Veredelung für den Export hergestellt worden seien.
Die Klage gegen den Steuerbescheid vom 22. Juni 1994 in Gestalt des Steueränderungsbescheids vom 27. Juni 2001 und der Einspruchsentscheidung wurde durch Urteil des FG München 3 K 1781/97 vom 28. November 2001 als unbegründet zurückgewiesen. Im Urteil führte das Gericht aus, dass ein eventueller Erlass der entstandenen Einfuhrabgaben aus Billigkeitsgründen nach Art. 239 ZK I.V.m. Art. 905 ZK-DVO keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit einer Abgabenfestsetzung habe, sondern nur bedeute, dass auf die Erhebung der Abgaben verzichtet werde. Ein Erlassantrag sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Weder in der Einspruchsentscheidung noch im Steueränderungsbescheid vom 27. Juni 2001 sei eine Billigkeitsentscheidung des HZA zu sehen. Der Erlass sei in einem besonderen Verfahren bei der Zollstelle zu beantragen.
Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde durch Beschluss des BFH vom 5. Juni 2002 VII B 12/02 (ZfZ 2002, 311) als unbegründet zurückgewiesen. Der BFH wies in diesem Beschluss darauf hin, dass dann, wenn die Behörde über einen zusammen mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Erlass der Eingangsabgaben nach Art. 13 VO Nr. 1430/79 nicht entschieden habe, dies nur unter den Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 FGO im Wege einer Untätigkeitsklage gerügt werden könne. Werde im Rahmen einer solchen Klage geltend gemacht, ein Antrag auf Erlass aus Billigkeitsgründen sei gestellt, aber nicht beschieden worden, so gehöre es zu den tatrichterlichen Aufgaben des FG festzustellen, ob ein solcher Antrag auf Erlass der Eingangsabgaben aus Billigkeitsgründen vom Abgabenschuldner tatsächlich gestellt worden sei.
Daraufhin erhob die Klägerin mit ...