Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung wegen Lohnsteuern bei geduldetem Überziehungskredit
Leitsatz (redaktionell)
1. Zeichnet sich bei Auszahlung der Arbeitslöhne bereits ab, dass die finanziellen Mittel der Gesellschaft nicht auch für die Entrichtungssteuerschulden ausreichen und muss der Geschäftsführer deshalb den Ausfall der steuerlichen Abzugsbeträge befürchten, so hat er die Arbeitslöhne entsprechend zu kürzen, sodass die vorhandenen Mittel sowohl die Nettolöhne als auch die Abzugssteuern abdecken.
2. Ein geduldeter Überziehungskredit stellt keine solide Fremdfinanzierungsgrundlage dar, sondern ist ein jederzeit und ohne ersichtlichen Grund beendbares Entgegenkommen des Kreditinstituts.
3. Wird die Gesellschaft nach Auszahlung der Nettolöhne, aber vor Abführung der Steuerabzugsbeträge zahlungsunfähig, weil die Bank den Überziehungsbetrag fällig stellt, so ist für die Haftung allein die Höhe der infolge der tatsächlichen Lohnauszahlungen entstandenen Abzugsbeträge und nicht deren fiktive Höhe bei Vornahme der pflichtwidrig unterlassenen Kürzung der Nettolöhne maßgeblich.
4. Die Begleichung der steuerlichen Abzugsbeträge ist als rechtlich zwingende Folge der vorherigen Auszahlung der Nettolöhne mit der Sorgfalt eines Geschäftsmanns vereinbar und löst deshalb keine Pflichtenkollision aus.
Normenkette
AO § 191 Abs. 1, § 69 Abs. 1, § 34 Abs. 1 S. 1; EStG 2002 § 38 Abs. 3, § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GmbHG § 64 Abs. 2 S. 2
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zu Recht als Geschäftsführer seiner Gesellschaft mit beschränkter Haftung für deren lohnsteuerrechtliche Entrichtungsschulden in Haftung genommen worden ist.
Der Kläger war in dem in Rede stehenden Lohnsteueranmeldungszeitraum August 2004 als alleiniger Geschäftsführer der C GmbH (im Weiteren GmbH genannt) im Handelsregister beim Amtsgericht – Registergericht – eingetragen. Die GmbH zahlte die Löhne für ihre Arbeitnehmer für Mai 2004 am 4.06.2004, für Juni 2004 am 5.07.2004 und für Juli 2004 am 6.08.2004 aus. Das bei der Sparkasse geführte Kontokorrentkonto der GmbH wies zum 14.07.2004 einen Negativsaldo von 286.688,89 EUR, nach Auszahlung der Nettolöhne für Juli 2004 einen solchen von 246.192,23 EUR und am 26.08.2004 einen solchen von 209.387,21 EUR aus. Es handelte sich dabei jeweils um eine von der Sparkasse geduldete Kontoüberziehung. Nach den unstreitigen Angaben des Klägers erlitt die GmbH in diesem Zeitraum einen Forderungsausfall gegenüber einer Fa. A in Höhe von 100.274,43 EUR, die die Sparkasse zum Anlass nahm, den der GmbH geduldeten Überziehungskredit mit Mitteilung vom 10.09.2004 sofort fällig zu stellen. Infolgedessen blieb die hierdurch zahlungsunfähig gewordene GmbH dem Beklagten die seit 10.09.2004 fälligen lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden für den Anmeldungszeitraum August 2004 schuldig. Mit Vertrag vom 23.09.2004 übertrug die GmbH ihren gesamten Geschäftsbetrieb einschließlich aller Wirtschaftsgüter des Anlageund Umlaufvermögens auf die neu gegründete C GmbH & Co. KG,. Deren Kommanditist und gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft, der C Verwaltungsgesellschaft mbH, war ebenfalls der Kläger. Auf den Eigenantrag der GmbH vom 20.10.2004 eröffnete das Amtsgericht – Insolvenzgericht – mit Beschluss vom 28.10.2004 (Az.: …) das Insolvenzverfahren über deren Vermögen. Zum Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt G bestellt. Das Insolvenzverfahren ist bislang noch nicht abgeschlossen. Nach Anhörung des Klägers mit finanzamtlichen Schreiben vom 12.11.2004 nahm der Beklagte den Kläger mit Haftungsbescheid vom 25.02.2005 in Höhe von 14.489,95 EUR als Geschäftsführer der GmbH in Haftung. Die festgesetzte Haftungsschuld setzte sich wie folgt zusammen (in EUR):
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Haftungsschulden |
Säumniszuschläge |
Lohnsteuer August 2004 |
12.546,46 |
750,00 |
Solidaritätszuschlag hierzu |
585,95 |
33,00 |
Lohnkirchensteuer evang. hierzu |
243,35 |
12,00 |
Lohnkirchensteuer röm.-kath. hierzu |
301,19 |
18.00 |
Summe der Steuerbeträge |
13.676,95 |
813,00 |
Summe der Säumniszuschläge |
813,00 |
→ |
Gesamtbetrag Haftung |
14.489,95 |
Der Einspruch des Klägers mit Schreiben vom 7.03.2005 hatte in der Sache nur insoweit Erfolg, als der Beklagte die festgesetzte Haftungsschuld in seiner Einspruchsentscheidung vom 25.10.2007 auf 12.651 EUR herabsetzte und den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurückwies. Die Verminderung der Haftungsschuld beruhte auf der Rechtsansicht des Beklagten, dass der Kläger nur wegen derjenigen lohnsteuerrechtlichen Entrichtungsschulden in Haftung genommen werden könnte, die bei Kürzung der Nettolöhne für Juli 2004 auf die am 6.08.2004 vorhandene Liquidität der GmbH entstanden wären. Im Ergebnis kürzte der Beklagte die Steuerschulden um 9,3% und berechnete hierauf für zwei Monate Säumniszuschläge. Im Einzelnen ergab sich folgende Neuberechnung der Haftungsschuld:
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Bisher festgesetzt |
abzgl. 9,3% |
Verminderte Beträge |
Säumniszuschläge |
Lohnsteuer August 2004 |
12.546... |