Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verzinsung nach § 233a AO, wenn die Steuerfestsetzung zu keinem Unterschiedsbetrag führt
Leitsatz (redaktionell)
Ergibt sich in einem geänderten Steuerbescheid kein Unterschiedsbetrag im Sinne von § 233a Abs. 3 AO, so ist für eine Zinsfestsetzung kein Raum. Das gilt auch dann, wenn einerseits der Inhalt einer nachgereichten Steuererklärung steuererhöhend zu berücksichtigen ist, andererseits aber auch der Verlustrücktrag aus dem Folgejahr einzubeziehen ist und beides sich im Ergebnis ausgleicht.
Normenkette
AO 1977 § 233a Abs. 1 S. 1, Abs. 3
Nachgehend
Tenor
1. Der Bescheid vom 18. April 2005 über die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO und die Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2005 werden aufgehoben.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) zu Recht Zinsen zur Körperschaftsteuer 2000 nach § 233a Abgabenordnung (AO) festgesetzt hat.
Nach erfolgloser Aufforderung vom 11. Juli 2002, die Körperschaftsteuererklärung für 2000 abzugeben, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen. Mit Körperschaftsteuerbescheid vom 17. September 2002 wurde bei einem Einkommen von 7.500 DM und einem zu versteuernden Einkommen von 0 DM die Körperschaftsteuer auf 0 EUR festgesetzt. Dieser Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO.
Mit der Körperschaftsteuererklärung für 2000 vom 12. März 2004 wurde ein zu versteuerndes Einkommen von 42.963 DM erklärt. Im Änderungsbescheid vom 11. Mai 2004 wurde bei einer Summe der positiven Einkünfte in Höhe von 23.962 DM und bei Berücksichtigung eines Verlustrücktrages aus 2001 in Höhe von 23.962 DM die Körperschaftsteuer erneut auf 0 EUR festgesetzt.
Die Körperschaftsteuererklärung für 2001 datiert vom 29. Oktober 2003. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2001 vom 11. Mai 2004 setzt bei Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von -126.662 DM die Körperschaftsteuer auf 0 EUR fest.
Mit Bescheid vom 18. April 2005 setzte das FA Zinsen nach § 233 a AO zur Körperschaftsteuer für 2000 in Höhe von 201 EUR fest. Zinsen wurden für den Zeitraum 1. April 2002 bis 1. April 2003 berechnet. Der Zinsberechnung wurde eine fiktive Steuer 2000 ohne Berücksichtigung des Verlustrücktrages aus 2001 in Höhe von 3.366 EUR, abgerundet 3.350 EUR, zugrunde gelegt.
Einem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für die Dauer des Einspruchsverfahrens wurde mit Beschluss des Senats vom 28. Juli 2005 stattgegeben (6 V 1706/05). Die dagegen eingelegte Beschwerde des FA wurde mit Beschluss des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 21. Oktober 2005 als unbegründet zurückgewiesen (I B 115/05, bisher nicht veröffentlicht).
Der Einspruch gegen den Zinsfestsetzungsbescheid wurde mit Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2005 als unbegründet zurückgewiesen. Das FA stützt sich dabei auf den Beschluss des BFH vom 21. Oktober 2005 (a.a.O.), der es als zumindest vertretbar betrachtet, wenn ein positiver Teil-Unterschiedsbetrag mit einem betragsgleichen negativen Teil-Unterschiedsbetrag zusammentrifft und sich daraus im Saldo ein Unterschiedsbetrag von 0 EUR ergibt. Im Wege der Gesetzesauslegung müsse die Vollverzinsung auch in derartigen Fällen möglich sein. Eine belastende Gesetzesauslegung sei (im Gegensatz zur Analogie) im Interesse einer steuerlichen Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle nicht ausgeschlossen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 2. Dezember 2005. Eine Verzinsung nach § 233a Abs. 1 S. 1 AO setze einen Unterschiedsbetrag im Sinne des § 233a Abs. 3 AO voraus. An dieser Voraussetzung fehle es hier. Eine fiktive Berechnung sei in § 233a AO nicht vorgesehen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 18. April 2005 über die Festsetzung von Zinsen nach § 233a AO und die Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2005 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzulehnen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Wegen des weiteren Sachverhalts im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2005, die Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Klage ist begründet.
§ 233 a Abs. 1 Satz 1 AO regelt die Voraussetzung der Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Danach ist ein Unterschiedsbetrag i. S. des Absatzes 3 zu verzinsen, zu dem die Festsetzung der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- oder Gewerbesteuer führt. Die Verzinsung richtet sich zwingend nach dem Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzu...