Entscheidungsstichwort (Thema)
Grobe Fahrlässigkeit i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Einkommensteuer 1994, 1995, 1996, 1997
Leitsatz (redaktionell)
Ein Steuerpflichtiger handelt grob fahrlässig i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, wenn er in Kenntnis der Abzugsfähigkeit von Darlehenszinsen als Werbungskosten es unterlässt in einem Bankkontoauszug getrennt von Beiträgen zu einer Lebensversicherung ausgewiesene Darlehenszinsen in Anlage V (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) zur Einkommensteuererklärung als Werbungskosten anzusetzen.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Kläger (Kl) sind Ehegatten, die für die Streitjahre 1993 bis 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
Sie erzielten, der Kl als Vertriebsleiter, die Klägerin (Klin) als Angestellte, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben hatten sie aus der Vermietung einer Eigentumswohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und der Kl zusätzlich Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Im Juli 1993 verkauften die Kl das von ihnen vermietete Wohngebäude in E. nachdem sie am 19.2.1993 eine Eigentumswohnung in F. (WE Nr. 1) erworben hatten, die sie nach Fertigstellung am 1.11.1993 vermieteten. Den Kaufpreis von 565.000 DM finanzierten die Kl in Höhe von 230.000 DM durch ein Darlehen der R. bank (ein weiteres Darlehen der F. bank über 230.000 DM diente lediglich der Zwischenfinanzierung), in Höhe von 230.000 DM durch ein Darlehen der …-Versicherung und den Rest durch Eigenkapital. Zusätzlich schloss die Klin einen Lebensversicherungsvertrag bei der …-Versicherung ab (Versicherungssumme 126.000 DM; monatlicher Beitrag 394,40 DM).
Die Kl machten in den Steuererklärungen 1993 bis 1997, bei denen der Prozessbevollmächtigte mitwirkte, jeweils Schuldzinsen aus den Darlehen der R. bank als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend (1993: 18.500 DM; 1994 bis 1997: jeweils 20.708 DM). Die Einkommensteuererklärung 1993 reichten die Kl im Juni 1994 beim Beklagten (Finanzamt– FA–) ein. Das FA ließ in den Einkommensteuerbescheiden 1993 bis 1997 vom 11.8.1994, 12.5.1995, 21.8.1996, 21.8.1997 und 14.8.1998 jeweils die geltend gemachten Schuldzinsen zum Abzug als Werbungskosten zu.
Am 25.10.1999 beantragten die Kl die Änderung der Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1997 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, da sie die seit 1993 angefallenen Zinszahlungen an die …-Versicherung wegen eines Irrtums über die Abzugsfähigkeit der Zahlungen nicht in den Steuererklärungen angesetzt hätten. Das FA lehnte den Antrag auf Änderung der Einkommensteuerbescheide am 2.11.1999 ab, weil ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters, der die Finanzierung des Kaufpreises nicht geprüft habe, vorliege. Der Einspruch der Kl hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 26.4.2000). Zur Begründung führte das FA aus, dass keine nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorlägen und im Übrigen die Kl auch grobfahrlässig gehandelt hätten.
Dagegen richtet sich die Klage. Zur Begründung tragen die Kl im Wesentlichen vor, bei Erstellung der Einkommensteuererklärung 1998 habe sich herausgestellt, dass die Kl für die vermietete Eigentumswohnung in Unkenntnis der steuerlichen Handhabung nicht alle Schuldzinsen als Werbungskosten geltend gemacht hätten. Die laufend an die Versicherung erbrachten Leistungen seien als Lebensversicherungsprämien angesehen worden. Da die Sonderausgaben-Höchstbeträge voll ausgeschöpft gewesen seien, seien die „Prämien” nicht geltend gemacht worden. Der steuerliche Berater der Kl habe von diesem Vorgang keine Kenntnis gehabt, da ihm die vertraglichen Verhältnisse mit der Versicherung nicht bekannt gewesen seien. Ein Verschulden des steuerlichen Beraters liege nicht vor, da er keine Ermittlungspflicht habe. Auch die Kl selbst treffe kein grobes Verschulden. Es liege vielmehr eine Verletzung der Ermittlungspflicht des FA vor. Die Kl seien mit steuerlichen und kaufmännischen Gepflogenheiten nicht so vertraut, dass man ihnen einen Vorwurf aus dem Nichtansetzen der Zinsen unterstellen könne. Es seien folgende Zinszahlungen an die … Versicherung angefallen:
Zins 1993: |
4.129,46 DM; |
Zinsen 1994–1997: jeweils |
15.985,00 DM. |
Die Kl beantragen,
unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung vom 2.11.1999 und der Einspruchsentscheidung vom 25.4.2000 das FA zu verpflichten, geänderte Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997 mit der Maßgabe zu erlassen, dass zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von jeweils 15.985 DM bei der Einkommensteuer 1994 bis 1997 zum Abzug zugelassen werden.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, den Kl sei vom Vorgängerobjekt her bekannt gewesen, dass Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig seien. Ausweislich ein...