Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger handelt grob fahrlässig i.S. des § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, wenn er es in Kenntnis der Abzugsfähigkeit von Darlehenszinsen als Werbungskosten unterlässt, in einem Bankkontoauszug getrennt von Beiträgen zu einer Lebensversicherung ausgewiesene Darlehenszinsen in Anlage V (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) zur Einkommensteuererklärung als Werbungskosten anzusetzen.
Sachverhalt
Die Kläger sind zur ESt zusammen veranlagte Ehegatten, die beide Einkünfte Vermietung und Verpachtung einer teils fremdfinanzierten Eigentumswohnung erzielten. Die Fremdfinanzierung wurde zum Teil durch ein Bankdarlehen und zum Teil durch ein Darlehen bei einer Lebensversicherung sichergestellt. Die Kläger machten in den Steuererklärungen, bei denen ein Steuerberater mitwirkte, jeweils Schuldzinsen aus dem Bankdarlehen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend, die vom Finanzamt unverändert in die ESt-Bescheide übernommen wurden. Am 25.10.1999 beantragten die Kläger die Änderung der betreffenden Einkommensteuerbescheide 1993 bis 1997 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, da sie die seit 1993 angefallenen Zinszahlungen an die Lebensversicherung wegen eines Irrtums über die Abzugsfähigkeit der Zahlungen nicht in den Steuererklärungen angesetzt hätten. Das FA lehnte den Änderungsantrag mit der Begründung ab, dass ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters, der die Finanzierung des Kaufpreises nicht geprüft habe, vorliege. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Dem FG wird von den Klägern vorgetragen, die laufend an die Versicherung erbrachten Leistungen seien als Lebensversicherungsprämien angesehen worden. Da die Sonderausgaben-Höchstbeträge voll ausgeschöpft gewesen seien, seien die "Prämien" nicht geltend gemacht worden. Der steuerliche Berater der Kläger habe von diesem Vorgang keine Kenntnis gehabt, da ihm die vertraglichen Verhältnisse mit der Versicherung nicht bekannt gewesen seien. Ein Verschulden des steuerlichen Beraters liege daher nicht vor, da er keine Ermittlungspflicht habe. Auch die Kläger selbst treffe kein grobes Verschulden.
Entscheidung
Die bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide können nicht zugunsten der Kläger geändert werden. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Der Anfall zusätzlicher als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung abziehbarer Zinsen in den Streitjahren ist zwar eine nachträglich bekannt gewordene "Tatsache", die zu einer niedrigeren Steuer der Kläger führt. Die Kläger trifft jedoch ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Zinszahlungen aus dem Versicherungsdarlehen. Grob fahrlässig handelt, wer die ihm persönlich zuzumutende Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und nicht entschuldbarer Weise verletzt, wobei dem Steuerpflichtigen das Verschulden eines Bevollmächtigten zugerechnet wird. Der Steuerpflichtige handelt jedenfalls dann regelmäßig grob fahrlässig, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet. Den Klägern war bereits aus Vorobjekten bekannt, dass Zinsen aus Darlehen zur Finanzierung der Anschaffung eines Vermietungsobjekts als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend gemacht werden können. Das den Kläger zuzurechnende Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Zinszahlungen ist auch nicht dadurch unbeachtlich, dass bei Anfertigung der Steuererklärungen ein steuerlicher Berater mitgewirkt hat. Der Steuerpflichtige handelt grob fahrlässig, wenn er die von seinem Berater ausgefüllten Erklärungsvordrucke blindlings unterschreibt, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die ihm selbst zugänglichen tatsächlichen Angaben zu prüfen, die im vorliegenden Fall aufgrund eigener Sachkenntnis ohne weiteres hätte durchführen können.
Hinweis
Der Steuerpflichtige handelt dann regelmäßig grob fahrlässig, wenn er eine im Steuererklärungsformular ausdrücklich gestellte, auf einen ganz bestimmten Vorgang bezogene Frage nicht beachtet. Bezüglich der Schuldzinsen sind im Einkommensteuererklärungsvordruck (Anlage V) eigens Angaben zu "Schuldzinsen (ohne Tilgung), Geldbeschaffungskosten" vorgesehen. Auch die amtliche "Anleitung" zur Einkommensteuererklärung (zur Anlage V) erläutert, welche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abziehbar sind.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 19.01.2004, 13 K 2294/00