Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistender i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1991/1993. Umsatzsteuerschuld nach § 14 Abs. 3 UStG bei Scheinrechnungen. Vorsteuerabzug bei sog. Fehlmaßnahmen. Umsatzsteuer 1992, 1993, 1994, 1995
Leitsatz (redaktionell)
1. Leistender i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1991/1993 ist regelmäßig, wer im eigenen Namen als solcher auftritt.
2. Der Aussteller von Scheinrechnungen schuldet nicht die Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG, wenn in den Rechnungen der Gegenstand der Leistung nicht identifizierbar bezeichnet ist.
3. Dem Unternehmer steht unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug zu, wenn er zur Zeit des Leistungsbezugs die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, die Eingangsumsätze für solche Ausgangsumsätze zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht gemäß § 15 Abs. 2 UStG ausschließen.
Normenkette
UStG 1991/1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1991/1993 § 14 Abs. 3; UStG 1991/1993 § 15 Abs. 1; UStG 1991/1993 § 15 Abs. 2
Tenor
1. Unter Änderung der Bescheide vom 25. April und 22. Januar 2001 wird die Umsatzsteuer für 1992 auf 0 EUR, für 1993 auf 0 EUR, für 1994 auf 8.052,85 EUR (= 15.750 DM) und für 1995 auf 0 EUR herabgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens bis zur mündlichen Verhandlung trägt der Beklagte zu 3/5 und die Klägerin zu 2/5. Die Kosten des Verfahrens ab der mündlichen Verhandlung tragen der Beklagte und die Klägerin je zur Hälfte.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob und inwieweit der Klägerin ein Vorsteuerabzug zusteht sowie, ob sie Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz 1991/1993 (UStG) schuldet.
Die Klägerin, eine GmbH, wurde mit Vertrag vom 28. Juli 1992 unter dem Namen „… GmbH” gegründet und am 10. August 1992 in das Handelsregister eingetragen. Geschäftsführerin war
Für die Streitjahre (1992–1995) reichte die Klägerin in 1994 (für 1992), 1995 (für 1993), 1996 (für 1994) und 1997 (für 1995) Umsatzsteuererklärungen ein, in denen sie eine Umsatzsteuer für 1992 von 13.328,10 DM, für 1993 von 15.963,30 DM, für 1994 von -5.097,50 DM und für 1995 von -2.821,60 DM erklärte. Gemäß ihren Jahresabschlüssen erzielte die Klägerin dabei in 1992 und 1993 Umsatzerlöse aus „EDV-Beratung” (224.912,28 und 93.846,08 DM), in 1994 „Vermittlungsprovisionen” (netto 105.000 DM) und in 1995 nur mehr „Erträge” aus Kfz-Nutzung (vgl. auch Bl. 45 FG-Akte).
Nach den Feststellungen im Urteil des Landgerichts … vom 28. November 1997, auf das im einzelnen verwiesen wird (Bl. 20 ff. BNV-Akte), war … (E), der Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin, von 1991 bis 1994 Geschäftsführer der … und erhielt in den Jahren bis 1993 „Schmiergeldzahlungen” für die Vergabe von Aufträgen der … u. a. an die … GmbH (… – bzw. L-GmbH). Dabei überließ die Geschäftsführerin der Klägerin dem Geschäftsführer der L-GmbH Briefbögen der Klägerin, auf denen dieser vereinbarungsgemäß Rechnungen in Höhe der Schmiergeldzahlungen stellte (zu den Rechnungen vgl. Bl. 11 ff. Umsatzsteuer 1993).
Aufgrund einer Außenprüfung (Prüfungsbericht vom 21. Dezember 2000) versagte der Beklagte (Finanzamt –FA–) mangels Unternehmereigenschaft der Klägerin den Vorsteuerabzug und erhöhte die Umsatzsteuer wegen einer Forderung von 105.000 DM. Dementsprechend setzte das FA mit Änderungsbescheiden gemäß § 164 Abs. 2 Abgabenordnung vom 25. April und 22. Januar 2001 die Umsatzsteuer für 1992 auf 32.092 DM, für 1993 auf 21.716 DM, für 1994 auf 17.118 DM und für 1995 auf 156 DM fest.
Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 3. September 2001 als unbegründet zurück. Das FA ging dabei davon aus, dass die Klägerin die erklärte Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG schulde.
Dagegen ist die Klage gerichtet. Zur Klagebegründung trägt die Klägerin vor, sie könne bezüglich des Sachverhalts „Schmiergelder” die in 1992 und 1993 zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigen, da das zuständige FA … den Vorsteuerabzug der L-GmbH rückgängig gemacht habe, und schulde daher nicht die nach § 14 Abs. 3 UStG festgesetzte Umsatzsteuer. Sie hat dazu berichtigte Rechnungen mit Datum vom 8. März 2002 vorgelegt.
Die Klägerin sei für die Schl … – GmbH vermittelnd tätig gewesen. Denn E habe den Nutzen aus seiner Tätigkeit für diese GmbH intern an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin habe damit eine unternehmerische Tätigkeit entfaltet, schulde aber die Umsatzsteuer daraus nicht, da die Forderung uneinbringlich sei. Zudem sei die Klägerin für den Handel mit Textilien gegründet und es seien dafür Einkäufe getätigt worden. Für die Abwicklung dieser Einkäufe habe man indes eine neue GmbH, die M. GmbH (Abkürzung für … und …), gegründet. Weitere Aktivitäten ab Oktober 1994 seien ohne Erfolg geblieben. Ab dem Jahr 2...